Neuseeland

Freitag, 29. Dezember 2006

Ueber Vielfalt...

In weniger als 24 Stunden teile ich mir 333 Inseln mit einer Horde unermuedlicher Backpacker, einigen Hochzeitsreisenden und einer Handvoll Militaerkommandanten, die Gefallen daran gefunden haben, alle paar Jahre die Regierung zu entlassen. Naja, die haben zumindest eine Regierung. Nachdem ich die letzten beiden Stunden damit verbracht habe, zwei Quantas Angestellte zu terrorisieren, da diese aus unergruendlichen Gruenden meine Flugtickets fuer ungueltig erklaert hatten, bin ich nun - mit einer anderen Airline aber auf Quantas' kosten - auch bereit dafuer, Aotearoa zu verlassen. Neuseeland. Das, was ich an diesem Land am meisten schaetze, ist die Vielfalt. Die unfassbare Endlosigkeit der Umgebung, Unterschiedlichkeit der Vegetation und weitgehende Faehigkeit des Landes, Gedanken und Empfindungen zu beeinflussen. Sechs Wochen "nur", sechs intensive Wochen, sechs Wochen, in denen die erste der letzten kaum aehnelt und die vierte auf einem anderen Kontinent spielen koennte als die dritte. Ein eigenes Auto, und trotzdem hunderte Kilometer zu Fuss. Etliche Naechte bei einer Temperatur, die nicht nur auf meine kleinen Zehen inhumane Auswirkungen hat, und wenige Stunden darauf ein Bett, dass dem Gefuehl der Gemuetlichkeit auf so einer Reise eine neue Definition verleiht. Regenwald. Vulkane. Gletscher. Sandstraende. Berge. Weinanbauregionen. Schafsweidefelder. Huegel. Waelder. Schlammpools und doch immer wieder Mal eine Stadt. Ein drittel dieses Landes ist Nationalpark, und trotzdem fuehlt es sich so an, als ob man die Natur, die sich selbst reguliert, kaum verlaesst.
Sogar Unterwasser. Gestern war ich seit langem wieder einmal dort, in dieser fremden Welt mit anderen Gesetzen, und die kalten Gewaesser rund um die Poor Knights Islands koennen sich alle mal mit den tropischen Korallengaerten (und oder Friedhoefen) Australiens, Thailands oder Indonesiens messen. Einfach anders, eine andere Art von Erfahrung, eine andere Umgebung, Umwelt. Wie bei einem Urwald fliegt man zunaechst ueber die dichte Kelpdecke hinweg, das eigentliche Spektakel verbirgt sich aber darunter und dazwischen. Keine Haie, sondern die kleinen Dinge beeindrucken, wie in einem Labyrinth sucht man sich seinen Weg durch die Hoehlen. Viele Tiere haben mich in den letzten Monaten beeindruckt, aber seit neuestem reihen sich neben Schlangen, Pinguinen, Bonobos und Delfinen auch die Nudibranchia ein, die mit ihrer Farbenvielfalt einem expressionistischem Kunstwerk aehneln. Die Faszination laesst einen vieles vergessen, von der Nullzeit bis zum Tauchpartner. Trotzdem sind wir ohne Dekokammer wieder in Auckland angekommen, mein Buddy ersparte mir sogar noch das Autostoppen zurueck und den Abend verbrachten wir bei Minus 5 Grad in einer Bar, die Cocktails in Glaesern aus Eis serviert. Seit gestern teile ich seit langem wieder denn Alltag eines Backpackers, mit allem was dazugehoert, vom Schlafen im Dorm mit fuenf Israelis, die ihre fetten Rucksaecke auf meine Ukulele stellen und einem Schweden, der mich um halb vier aufweckt um zu fragen, ob ich seinen Vodka gesehen habe.
Bei fuenfzehn Laendern in sieben Monaten sind sechs Wochen durchschnittlich gesehen eine lange Zeit. Aber Zeit ist auf einer Reise wie dieser immer Mangelware, und kann an Durchschnitten nicht gemessen werden. Sechs Wochen, Monate oder Jahre. Von einem Ort, der mit gefaellt, kann ich nie genug bekommen, und deshalb spielt es keine Rolle, ob ich morgen abreise oder naechste Woche. Hierher muss ich sowieso zurueck, frueher oder spaeter. Alles was ich hier und ueberall sonst erlebt habe, nehme ich in einer Form mit. In Form von Erinnerungen, Veraenderungen, Worten, Souveniers oder Fotos. Doch einiges laesst man auch zurueck, man veraendert Dinge oder Menschen mit seiner Anwesenheit. Neuseeland ist ein spiritueller Ort, denke ich, doch was genau ich damit meine, weiss ich nicht
Was ich weiss ist, dass ich morgen knietief im Sand stecke, und mir die beste Stelle suche, um die ersten Sonnenstrahlen des naechsten Jahres entgegenzunehmen.
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Dienstag, 26. Dezember 2006

I'd like to thank...

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Wieder unterwegs. Bin sooeben am Busbahnhof in Auckland angekommen, und trotz der fruehen Morgenstunde fuehrt der erste Weg in ein Internetcafe. Einen Oscar haelt man schliesslich nicht alle Tage in den Haenden, und wenn dann doch einmal, muss man das auch so schnell wie moeglich in die ganze Welt verbreiten. Michael Hedges, doppelter Academy Award Preistraeger fuer "Best Achievement in Sound" (Herr der Ringe, na no na, und King Kong), und mit Scherheit der Held des gestrigen Tages. In Neuseeland kennt irgendwie jeder einen Oscarpreistraeger, was bei der Oscar-pro-Einwohner-Rate hier ja auch nicht gerade verwunderlich ist. Und so landet man nach zwei SMS und einem Anruf auch beim Vater einer Arbeitskollegin einer Freundin der Tocher der Bekannten, wo ich gestern noch wohnte, und der hat wirklich zwei goldene Statuen daheim. Keine Glasvitrine, keine Spuren von Poliermittel, stehen einfach so am Wohnzimmertisch herum, zwischen Nazgul Miniaturen, Original Alan Lee Zeichnungen und Postern, die nicht nur von Peter Jackson gewidmet wurden. Viel interessanter als der Oscar selbst war aber der Typ, der dahintersteht. Was er erzaehlt, wie er ueber seine Arbeit spricht und begeistert ueber Hollywood in der dritten Person schwaermt.
Ach ja, Weihnachten war ja auch noch. Ein im Grunde vollkommen anderes Fest, als das, was oder besser gesagt wie es wir feiern. Helles Tageslicht am fruehen Morgen des fuenfundzwanzigsten, ganz ohne Sternsprueher, dann 36 Stunden durchgehend essen, Truthahn, Schinken und Spargel, familyfeeling kommt auf, und eventuell geht sich noch ein kurzer Spaziergang am Strand aus. Den luxorioesen "Alltag" habe ich wieder verlassen, mit ausgestrecktem Daumen steh' ich auf der Strasse und bahne mir meinen Weg in den Norden. Im Nachtbus sitzt eine aeltere Maoridame neben mir, die meint, dass die Farbe meiner Ukulele sie an ihr Motorrad erinnert. Wir unterhalten uns bis Mitternacht ueber ihre Kultur und die Vergeblichkeit des Versuches, sie als Kurzzeittourist richtig kennen zu lernen. Waehrend ich schlafe steigt sie aus, doch das merke ich erst, wenn es zum Verabschieden zu spaet ist. Heute morgen suche ich mit mueden Augen eine Post, aber auch das ist vergeblich. Die letzten zwei Wochen waren doch als Boxenstopp geplant, als Timeout zum auftanken. Im Moment fuehle ich mich mueder als damals am Krater des Vulkans. Es ist hoechste Zeit wieder loszulegen, lange bleibt ja nicht mehr, und die Motivation ist groesser denn je.

Sonntag, 24. Dezember 2006

Ueber Eremiten, Vanillekipferl, Earl Grey und die Unvermeidlichkeit bunter Gluehbirnen...

25. Dezember, nach Mitternacht. Weihnachten ist theoretisch vorbei, steht praktisch aber noch bevor, da die Menschen hier am falschen Tag feiern und ihr zwoelf Stunden hinten seid. Also schreibe ich aus einem Zeitloch, und das kommt mir nicht zum ersten mal auf dieser Reise so vor.
Da ich nach dem letzten Eintrag Anschuldigungen zum praedestinierten Eremiten(leben) ueber mich ergehen lassen musste beruhige ich erst einmal und gebe stolz bekannt, nunmehr ueber eine Woche quasi im Rudel mit einer ganz ganz netten und insbesondere gastfreundlichen Kiwi-Familie gelebt zu haben. Keine Vulkane, keine ungewollten Leichtsinnigkeitsattentate auf mich selbst. Gelegentlich eine Rechtfertigung ueber Dinge, die ich scheinbar im Schlaf erzaehle, aber sonst ein ruhiges Leben. Vanillekipferl backen ("Yes, that's what Sissi might have eaten for Christmas"), ab und zu den Zug in die Stadt nehmen und immer, immer wieder dieses genussvolle unter die Decke kriechen in mein weiches, warmes, grosses Bett. Noch zwei Naechte, dann bin ich wieder auf der Strasse. Wie brutal das im Deutschen klingt. Aber egal. Die letzten Tage waren einfach dazu da und dazu gut, "mal wieder runterzukommen". Ich sehne mich nachwievor nach einem weissen Raum ohne Tuer und ohne Fenster, in dem ich eine Zeit lang nichts tue, ausser alle Reize zu entfluten. Aber selbst wenn man nichts tut arbeitet man all die Dinge auf, die mittlerweile als vergangen gelten und findet sich selbst dabei, mehr zu tun, als man eigentlich moechte, und weniger von dem zu aufzuarbeiten, was nach wie vor auf der Reflexions To-Do Liste steht.
Fuer all die Leute, die beim Fussball schon an der Abseitsregel scheitern, kann ich Cricket staerkstens empfehlen. Keine Ahnung, keinen Plan, aber das geb' ich mir, sag ich mir, und lese meinem achtjaehrigen Sitznachbarn an den Augen ab, dass er mir an den Augenbrauen abliest, wie wenig ich verstehe. Ich erwarte mir eine Ansammlung fortgeschrittener Windsor-Traditionalisten, die sich mit selbstmitgebrachtem Earl Grey aus der Thermoskanne ueber fuenf Spieltage am Leben haelt. Nichts da, die Jugend weht die Schwarzen Flaggen und jubelt den Spielern zu, die nach einem Out zu Monty Python Klaengen das Feld verlassen. Ich kehre wieder nach Upper Hut zurueck, ein, zwei Weihnachtsgeschenke mehr in der Tasche. Dieser Tag kommt immer naeher, aber wannauchimmer die Sonne scheint und der Typ im Nachbargarten seinen Rasenmaeher startet kommt es mir nicht wie Dezember vor. Troztem singt man hier "Snow ist falling all around me" und setzt sich rote Muetzen auf. Beim "Gloria" ernenne ich mich zum persoenlichen Verteidiger des "Excelsis" gegen das "X-Tschaelsis" und beim "Silent Night" singe ich die deutschen Worte. Als ob das noch nicht genug Aufmerksamkeit erregt verdiene ich mir zusaetzlich zwei Dollar damit, auf der Ukulele zu begleiten, die ich mir eigens zu Rehabilitationszwecken fuer die Fijis zugelegt habe. Wo sonst werde ich das endlich lernen, und da die Chorde zu diversen Weihnachtsliedern hundert mal einfacher sind als die zu "Blowing in the Wind", kann ich auch jetzt schon ueben. Wenn dann noch Zeit bleibt, fahre ich diverse Privathaeuser ab, die mit ihren bunten Beleuchtungen zu lokalen Hauptattracktionen werden, und wenn man lieb und nett ist, darf man sogar das Wohnzimmer sehen. Ich habs nur in ein einziges geschafft, aber schliesslich bin ich ja auch Eremit. Es ist sowieso nur eine Frage der Zeit, bis sich little old Europe auch dahin entwickelt, Leuchtstoffroehrenrentiere im Vorgarten aufzustellen, wenn moeglich bunt und blinkend. Ich kann nicht sagen, dass ich alle Traditionen mit einem traenenden Auge vermisse, aber ich kann sicherlich behaupten, froh zu sein, zu gewissen wieder zurueckkehren zu koennen. Ausgenommen ich gehe als Eremit in die Wueste, wandere nach Laos aus oder ziehe ins Weihnachtsexil. Drei Stunden Herr der Ringe gingen sich dann in der letzten Woche auch noch aus, und zwar aus dem Premierensessel Grimas, da Gandalf und die restlichen Gefaehrten schon besetzt waren, woertlich. Die letzten Tage waren im Vergleich zum Rest dieser Reise so unglaublich normal, mit einer gewissen Ordnung. Aber auch so vollkommen unterschiedlich zu dem, was ich fuer diese Jahreszeit normalerweise als normal bezeichne. An einem Ort, wo der Sueden die Bedeutung unseres Nordens hat wird sogar die Normalheit relativ, und was ich denke, sowieso.
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Donnerstag, 14. Dezember 2006

Roadtrip Teil 2. Und Teil 3.

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Teil 2.
oder
Exchange Program

Es faellt mir schwer, nach den letzten Monaten zu lange an ein und dem selben Ort zu bleiben. Drei Naechte, und nicht eine REM Phase laenger, ist das in Ordnung, dann zieht es mich weg, weiter, irgendwohin. Wenn Gaeste kommen fuehlt man sich als Gastgeber dazu gezwungen, sein eigenes Land zu repraesentieren. Etwas herzuzeigen. Ich kenne das, und das ist gut so. Ich revanchiere mich, in dem ich auch etwas herzeige, etwas austausche, etwas erzaehle, mich einbringe. Es versuche. Wellington liegt im Sueden der Nordinsel, noerdlich davon liegt eine Landschaft gepraegt von Vulkanen, waermer als der kalte Sueden. Keine Pinguine, keine Seeloewen. Dafuer Schlammpools und Gluehwuermchen. Ich werde an Orte gebracht, an denen Clare und Nicola, die Toechter der Familie Armstrong, schon etliche Male waren, alles kennen. Und doch finden wir Stellen, die auch fuer sie neu sind, Erfahrungen, dich ich schon, aber sie noch nicht erfahren haben. Gemaess einer Familientradition essen wir am ersten Abend Pizza und baden unsere Fuesse in heissen Quellen. Am naechsten morgen springen wir aus einem Flugzeug und betrachten den riesigen Lake Taupo vom Zentrum des Ozonlochs, oder irgendwo nahe davon. Alles andere als eine Familientradition.
In Rotorua lasse ich mich das erste Mal in den letzten vier Monaten zu einer gefuehrten Tour durch Thermalquellen und kochende Schlammpools ueberreden. Das unertraegliche Organ der Reiseleiterin gekoppelt mit dem suesslichen Duft faulender Eier laesst meine Heuschnupfenneurothermitis zu vermeintlichen Krebsgeschwueren anschwillen. Das Aneinanderreiben schwitzender Oberarme einer Menge, die sich wie eine Masse zum gleichen Zeitpunkt durch die gleiche winzige Tuere quetscht um eine traditionelle Maori Performance zu sehen, die von eine Frau geleitet wird, die einen Federumhang und Nike-Sandalen traegt. Eie Geraeuschkulisse von Vulkanrundflughelikoptern, Baustellenlastwaegen, die mehr Schotter fuer das neue Visitorcenter herbeibringen, und Japanern, die gackern, lachen und sich gegenseitig am Telefon anschreien. In meinem Land, wenn ich eines haette, gaebe es eine Aufnahmepruefung fuer Touristen, eine Verpflichtung fuer ein gewisses Basiswissen ueber Kultur, Geschichte und Verhaltensregeln in einem fremden Land, das den nicht vorhandenen "Common Sense" ersetzen soll, den eigentlich ein Dreijaehriger aufzubringen faehig sein sollte. Wie der enttaeuschend bewundernswerte Geysir bricht meine Haut auf, ich blute ploetzlich an vier verschiedenen Stellen meines Koerpers und weiss nicht warum, weiss nicht seit wann. Spuere nichts, ausser eine gewisse Abscheu gegenueber diesem Ort. Jetzt weiss ich wieder, warum ich alleine reise und solche Einrichtungen, die in Neuseeland scheinbar alle irgendwann einmal einen Tourist Award gewonnen haben, meide. Trotzdem fuehle ich mich wohl in diesem Land, gewinne am naechsten Morgen einen Cerealienwettessbewerb und werde mit einem Wheet-bix T-Shirt belohnt, mit dem ich kurz darauf ein einem grossen Gummiball gemaess der Proportionsstudie von DaVinci durchgewaschen werde. Zorbing, schon wieder so eine Neuseelaender Erfindung, an der man als Gast einfach nicht vorbeikommt und folglich fuer sicherlich einmalige, mehr oder weniger haarstraeubende Aktivitaeten mehr Geld liegen laesst als man in Laos irgendmoeglich in einer Woche ausgeben kann. Das Prinzip und der Gedanke ist einfach, eine doppelte Luftburg, gewuellt mit etlichen Litern Wasser und mir selbst, rollt unaufhaltbaer einen Berg hinunter. Aber bei den Massen an Geld, die die Leute hier fuer uebertrieben kitschige und letztendlich nur irgendwo herumstehende Weihnachtsgeschenke ausgeben, oder man selbst irgendwann einmal fuer Geraete, die nur nochmehr dazu motivieren in seinen eigenen vier Waenden zu bleiben, scheinen mir Investitionen wie diese schon wieder nachvollziehbar, die ganze Reise ein Schnaeppchen mit einem Preis-Leistungsverhaeltnis, das sogar meinen Toyota Corolla uebertrifft. Ich denke zwar ueber jeden Dollar nach, den ich ausgebe, bereue es dann aber nicht. Bereue bis jetzt gar nichts. Schlussendlich werde ich irgendwo 600 Kilometer noerdlich von Zuhause zurueckgelassen, weil ich das so will. Wieder alleine, Clare und Nicky muessen zur Arbeit. Es waren vier wunderbare Tage mit zwei ganz netten Menschen.

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Teil 3.
oder
Ein Vulkan fuer mich alleine

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Ich sitze am Strassenrand, esse Vanilleeis mit frischen Beeren und fahre mein in den letzten Tagen vernachlaessigtes "Viereinhalb Monate Unterwegs in fremden Laendern" Unabhaengigkeitssystem hoch. Jetzt ist sie wieder da, die Freiheit sich nicht sorgen zu muessen, ob die eigenen Plaene fuer andere konform sind, keine Kompromisse einzugehen. Ich gehe wieder in meinem Tempo und vermeide gleichgueltiges Schulterzucken. Betrete den aktivsten Vulkan dieses Landes, den man nur per Boot erreicht, da er irgendwo mitten im Ozean liegt. Delfine links, Wale rechts, ein rauchender Berg vorne und das Festland hinter mir. Ich sitze am Burg, geniesse das rauf und runter und vermeide die den Horizont fixierenden Anderen, denen das Unwohlsein ins Gesicht geschrieben steht. Wieder zurueck befolge ich die erste Regel des Autostoppens, immer schoen laut und deutlich darueber zu reden, wo man hinwill, und plant, das per Autostopp zu tun. Die erste Mitfahrgelegenheit ergibt sich, bevor ich ueberhaupt auf der Strasse stehe. Den folgenden Tag verbringe ich mit drei Chiropraktikern in einem Auto, wieder bin ich ueberwaeltigt, wie viele Menschen man trifft und wie freundlich die meisten davon sind. Noch am selben Abend finde ich mich in einem weiteren Nationalpark, wandere bei Lichtverhaeltnissen, die die Landschaft nur noch unwirklicher erscheinen lassen und uebernachte in einer Huette. Verlasse diese um drei in der Frueh um nach dubiosem balinesischen Vorbild einen Vulkan zum Sonnenaufgang zu besteigen. Nebenbei angemerkt Mt. Doom, den Schicksalsberg aus Herr der Ringe, im Zentrum Mordors, oder anders bekannt als Mt. Ngauruhoe im Tongariro National Park. Drei Schritte bergauf ergeben nach zurueckrutschen des Geroells ueberschlagsmaessig einen Hobbitschritt, und doch komme ich irgendwann da oben an. Wieder bin ich sprachlos, weiss nicht, was ich sagen soll, weiss nicht, was ich denken soll, lasse das ganze einfach wirken und versuche verzweifelt, den Moment in Bilder zu fassen. Beim Abstieg sehe ich in der Ferne die ersten Anderen, die frisch und ausgeschlafen das Tongariro Crossing beginnen, das auch mir noch bevorsteht. Ich weiss nicht warum, aber immer ist irgendwie dieser Drang da, es anders zu machen als die Anderen. Das bewaehrte Strandardprogramm zu verfolgen, aber eine Ableitung davon neu zu erschaffen. Die gleiche Melodie zu spielen, aber eine Variation. Aus dem selben Flugzeug zu springen, aber zwei Saltos zu schlagen und sich erst dann der stabilen Freifalllage zu ueberlassen. Wie viele Menschen vor oder nach mir schon auf diesem Berg waren spielt keine Rolle. Aber in diesem Moment, zum ersten Licht dieses Tages war ich der einzige, und darueber bin ich froh. Die sechs folgenden Stunden fuehren vorbei an weiteren Kratern, blaugruenen Seen und heissen Quellen. Mit sieben verschiedenen anderen Menschen und Autos kehre ich noch am selben Abend zurueck nach Wellington, gerade rechtzeitig um vorweihnachtlich Weihnachten zu feiern, mit anderen Verwandten, die ich nicht kenne. Wo auch immer ich bin und was auch immer ich tue, immer wieder wird mir bewusst, dass es um die Menschen geht, die man auf so einer Reise trifft. Die man findet und sich mit ihnen zurecht findet.

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Freitag, 8. Dezember 2006

Von Antiallergika, Milchreis und meinem eigenen Zimmer...

Ich habe die erste Nacht in den letzten viereinhalb Monaten hinter mir, in der mein Rucksack nicht direkt neben mir und meinem Kopfpolster schlief, in der ich mich und meine zwei Meter fuenfzig Spannweite in einem richtigen Bett und nach allen vier Himmelsrichtungen ausbreitete, in der ich um Mitternacht und ohne jedes Zeitlimit scheinbar endlose Emails in acht verschiedene Laender schreiben kann und in der meine Unterhosen sogar vom australischen Feinstaub befreit wurden. Eine Basis fuer die naechsten Wochen, ein eigenes Zimmer ohne betrunkene Schotten, schnarchende Koreaner, duenstende Spanier oder inplastiksackerlherumwuehlenden Deutschen. Irgendwie das Gefuehl, nachhause gekommen zu sein, zu einer fuenfkoepfigen Familie, die ich zwar nicht kenne, aber mehr als enthusiastisch bin, sie kennen zu lernen. Da ich noch eine Zeit hier bin dehne ich mich jetzt dazu noch nicht zusehr aus sondern - first things first - versetze mich nocheinmal kurz zurueck in die nahe Vergangenheit fern von Zweiduschentaeglich-Luxus und Tee mit Weihnachtskeksen vorm Schlafengehen (in mein 220 mal 140 Ikea Bett!!!). Abel Tasman, eine weitere Miss New Zealand unter den Nationalparks, und ein Track entlang der Kueste, der mich nochmehr dazu motiviert, mir als erste Anschaffung back home einen Wanderfuehrer fuer die Alpen und vielleicht angemessene Schuhe zuzulegen. Mit gewoehnlicher Routine auf mein Glueck zu spekulieren ging wie immer alles wunderbar, vom brillianten Wetter bis hin zum paradiesischen Ocean Kajaking, vom richtigen Timing, bei einer Seeloewengeburt dabei zu sein bis hin zum abenteuerlich falschen Timing, durch huefthohes Wasser zu warten um noch vor der Flut weiter zu kommen. Einfach schoen. Banal, ich weiss, aber mehr faellt mir dazu nicht ein. Man geht und geht und alles wird nur noch unpackbarer, ich habe jedes Interesse an der Faehigkeit verloren, alle Eindruecke irgendwie zwanghaft noch in Worte fassen zu muessen. Wie ein Impfstoff bleiben einem solche Erinnerungen entweder immer erhalten, oder man muss sie nach einer Zeit neu auffrischen. Nun, ich weiss nicht, vor welcher Krankheit mich Neuseeland und diese Reise bewahren wird, aber wahrscheinlich ist es das eventuelle Austrocknen und Verlieren von Interesse am Leben und an dieser Welt. Die vollkommene Abstumpfung und das Sich-selbst-Ausliefern an ein "Ist mir eigentlich egal". Und es sind auch die kleinen Dinge, die eine solche Impfung (eigenartig, wie sich das unbeschreibliche Ganze ploetzlich in ein einziges Wort fassen lassen) kraeftig machen. Die "unterhaltsamen" (wie schrecklich verstaubt dieses Wort klingt), die "lustigen" (wie schrecklich bloed dieses Wort klingt), die, die von unseren Standards nicht als "intellektuell" oder "wertvoll" (wie schrecklich verfehlt dieses Wort oft klingen kann) betrachtet werden. Alleine aufzubrechen heisst keinesfalls, alleine zu reisen. Nur, dass ich alleine sein kann, wenn ich es will. Und das verstehen viele nicht, fuer mich stellt es aber einen Grundgedanken dieser Reise dar. Wo komme ich, gedanklich und physisch, an, nachdem ich zehn Stunden durch den Wald und entlang der Kueste gelaufen bin. Erst mal bei mir selbst, denn nach so einem Tag ist die Liste an Ideen, Erinnerungen, neunen Zielen und Reflexionen lange, ganz abgesehen von den gewonnenen sinnlichen Eindruecken der Umgebung. Aber, auch wenn mir danach waere, falle ich danach nicht totmuede ins Bett (oder was auch immer), sondern gelange mitten in eine Gruppe 15, 16, 18jaehrige Schueler, die wiederum ihre gewonnen Erfahrung des letzten Schuljahres (oder was auch immer) auf einem oeffentlichen Campingground feiern und dem Begriff 'ausgelassen' eine neue Definition verleihen. Ich steige mitten ein ins Geschehen, reihe mich irgendwo an der zwei Drittel Schueler, ein Drittel Lehrer Grenze ein und bin als ueberdimensionaler Tanzbaer from overseas ein begehrtes Ziel in der Milchreisschlacht. Waehrend ein melancholischer Suizidanwaerter mit rosa Cowboyhut auf seiner Gitarre nicht ueber die ersten Takte von "Tears in Heaven" herauskommt und diese in einer endlosen Endlosschleife wiederholt (mit obligatem Seufzen nach der dritten Note), debattieren Religions- und BiologieprofessorInnen schon ueber die Reaktion der baldigen Grosseltern auf die fruehe Schwangerschaft ihrer vierzehnjaehrigen Tochter, die soeben mit einem, ebenfalls vierzehnjaehrigen, Maori an den Strand verschwunden ist. Herrlich, einfach herrlich, das Geschehen, ich fuehle mich wie in einem grossartigen Theaterstueck. Aber solche Geschichten kann man nicht schreiben, sie schreibt das Leben selbst. Eventuell landet man dann auch am Strand, schaut in die Sterne und traeumt, obwohl man hellwach ist und der Himmel hinter einer Wolkendecke unsichtbar ist. Der Abend, den ich eigentlich so frueh wie moeglich durch Schlaf beenden wollte, wird zu einem der besten dieser Reise. Fuer einige Stunden dachte ich, ein paar Jahre juenger zu sein, und es fuehlt sich gut an. Nicht einmal drei Wochen war ich auf der Suedinsel, und das ist bei dem Angebot an Schoenheit dort eigentlich ein Verbrechen. Aber trotzdem habe ich wieder einmal Eindruck, in dieser Zeit mehr gesehen zu haben, als andere in einem ganzen Jahr. Jetzt bin ich im warmen Norden, lebe hier als Teil einer Familie, zwar ohne mindestenszweiAbenteuerproTag-Politik, dafuer mit den Annehmlichkeiten des alltaeglichen Lebens. Das alltaegliche Leben... heute habe ich die ersten Antihistamine genommen, ueberhaupt die ersten Medikamente dieser Reise. Vielleicht ist es das, worauf ich allergisch bin. In den Bergen, im Dschungel, im Wald, nirgendwo hatte ich Cyrtek noetig, nicht mal Taschentuecher. Aber egal, im Moment rede ich mich noch auf die Katze aus. Bis Weihnachten ist das in Ordnung, danach gehts in die Endphase der Impftherapie. Glaubt es oder nicht, ich habe heute das achte Fenster meines Milka-Adventkalenders geoeffnet.

Sonntag, 3. Dezember 2006

Bye, bye L(i)eeena...

Wie das Leben so spielt. Gerade noch verbringt man zwei wunderbare Wochen miteinander, und heute morgen sehe ich die kleine Lena (bzw. ihren Schluessel) schon in den Haenden eines anderen. Naja, irgendwann muss man der Jugend (stolze siebzehn ist sie) ihre Freiheit und eigenen Wege gehen lassen. Seit gestern Mitternacht hing ein Schild "For Sale" an den Fenstern, zehn Minuten spaeter ging das erste SMS ein, und heute um Punkt acht stand ich vor der Post, um die Eigentuemerschaft zu wechseln. "Liiiiina" nennt sie Der Neue, aber da er mir den Wagen nicht nur zum selben Preis abgekauft hat, zu dem ich sie erobert habe, sondern auch noch das Benzin fuer die letzten 1964 Kilometer und einen Kakao heute Frueh spendiert hat, soll mir auch das recht sein. 650 Dollar und keinen Cent weniger bekam ich dafuer. Yeeeeeha. Vielleicht sollte ich Autohaendler werden, ist nicht so brotlos wie das Theater. Dem Typen, dem ich das Auto damals abgekauft habe, glaube ich zwar nochimmer nicht, aber jetzt ist mir das egal. Im Nachhinein ist alles egal, oder es spielt zumindestens keine Rolle mehr. Hinterher wird einem immer bewusst, wie riskant viele Dinge eigentlich waren, und wegen dieser Einsicht wagt man sie doch im Grunde auch erst. Meinen Kindern werde ich sicher nie raten, einen unversicherten Wagen ohne Mechanikcheck oder jegliches Wissen ueber Autos auf der falschen Seite der Strasse zu fahren. Oder in Malaysien auf ein Dschungelparasiten Meet and Greet zu wandern. Oder sich in Thailand im Flip Flop Freeclimbing zu probieren. Und wenn sie's trotzdem tun, werde ich innerlich darueber schmunzeln und mich wahrscheinlich irgendwie sogar darueber freuen. Wie auch immer, bis dahin ist noch viel Zeit, und solang probier ich diese Dinge lieber selber aus. Jetzt stuerze ich mich in den naechsten Nationalpark, drei Tage und weitere 60 Kilometer im Abel Tasman. Die Wolken brechen auf und bald kommt die Sonne raus. Ach ja, und um dahin zu kommen muss ich natuerlich von nun an wieder (andere) Autos stoppen.
m

Roadtrip!!! Und kalte Fuesse...

Und noch ein Sweatshirt hab ich mir gekauft, da die Thermalunterwaeschewettenverliererin spurlos verschwunden ist und offenbar das Land verlassen hat. Aber egal, es geht auch ohne, und ich ziehe der Jugendherberge mit gratis Spa unfortunately out of order immer noch den Beifahrersitz Lenas vor. Ausserdem hat meine Faehigkeit, den Raum, den mir ein neunundachziger Toyota Corolla bietet, bis ins letzte auszunutzen, bis zur Perfektion zugenommen und ich habe in meinem Koerper mindestens drei neue Gelenke entdeckt. Abgesehen davon schlaegt nichts ein Lagerfeuer am See, Chocolate Chip Cookies mit Pfirsichen aus der Dose und einen Radiosender, der innerhalb eines Nachmittags drei Mal "I'm not a girl, not yet a woman" von der Britney spielt. Nur kalt wirds dann frueh am Morgen, aber so gipse ich mir meine Latschen mit 11 Socken (fuenf Paar und ein einzelner, der sein Alterego am Mackinnonpass zurueckgelassen hat und deshalb alle zwei Stunden den Fuss wechselt) ein, und alles ist wieder gut. Kepler, Milford und morgen beginne ich einen neuen im Abel Tasman Park. Die Tracks hier sind ein Wahnsinn, und ich geniesse jeden einzelnen. Nationalparks hoeren in Neuseeland offenbar nur auf, wenn ein neuer beginnt, und so eruebrigt sich die Frage, ob es die zwei Dollar extra fuers Benzin wert sind, noch einen weiteren, hundertsten, See zu sehen und fotografieren. Man laesst das Auto stehen und geht ueberall hin, und egal ob es 10 Minuten, eine Dreiviertelstunde oder gar zwei ganze dauert, bis jetzt war es noch jedes Mal den Aufwand wert. Mir geht es gut, sehr gut, und das rede ich mir nicht nur ein. Der Regen in Queenstown hat mich nicht davon abgehalten, noch zwei weitere Male ins Nichts zu springen, und mit der Routine faengt man auch an, diese Spruenge zu geniessen und nicht nur als teuren Kick anzusehen. Ja, man kann soetwas geniessen, weil es gibt da fuer eine Sekunde den Moment, in dem man denkt zu fliegen, bis man von einem Gummiseil in die Realitaet, und eigenartiger Weise nach oben, zurueckgezogen wird. Die Erfahrung war es wert, mehr als jede Erfahrung es, was auch immer das sein mag, irgendwie wert ist. Die letzten zwei Wochen sind so schnell vergangen, und doch wirken sie in Erinnerung wie eine kurze Ewigkeit. In Neuseeland wird man sich vieler Dinge bewusst. Ob das daran liegt, dass es das andere Ende der Kugel ist, oder vielleicht daran, dass viele Aussichten von daheim stammen koennten, weiss ich nicht. Auf jeden Fall bin ich gestern an einem Berg vorbeigefahren, der haargenau so aussieht wie der Untersberg. Und ihre Gletscher benennen die Kiwis auch nach uns Oesterreichern, zumindest den Franz Josef, auf dem ich vorgestern sechs Stunden im Eis verbrachte, zusammen mit zwei Deutschen, mit denen ich schon in Australien am Strand lag und die ich zufaellig hier wieder traf. Wie klein, aber schoen, die Welt ist. Mehr folgt in kuerze, der Broccoli kocht und ich muss weg.

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Mittwoch, 29. November 2006

Ueber etwas, das ich eigentlich auch daheim tun koennte...

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Neuseeland ist in sovieler Hinsicht wie daheim, und trotzdem wundere ich mich ueber die unglaubliche Vielfalt, Schoenheit und wunderbare Atmosphaere in diesem Land. Die letzten Tage waren mit Sicherheit wieder ein, wenn nicht das, Highlight der letzten Monate. Ich weiss gar nicht, wo ich beginnen soll, denn wenn man 60 Kilometer und etliche Stunden durch und ueber den Regenwald, Fluesse, Berge, Paesse, Felsen, Ufer, Bruecken, Wiesen, Felder, Schlamm und Schnee wandert gehen einem zuviele Gedanken durch den Kopf, um sie im Nachhinein zusammenzufassen oder aufzuschreiben. Vielleicht ist es gerade das, das die letzten vier Tage auf dem Milford Track so wunderbar gemacht hat. Die vollkommene Leere im Kopf, inspiriert und folglich mit Gedanken und Ueberlegungen bis zum Ueberdruck gefuellt durch die Umgebung, durch das Gefuehl, durch die Erfahrung und Aussetzung gegenueber einer Welt, einer Natur abseits von dem, was man in seinem Leben sonst so treibt.
Wanderwege gibts hier viele, genau so wie Nationalparks und Moeglichkeiten, sich mit der Grundlage eines jeden Landes, der Vegetation, auseinanderzusetzen. Der Milford Track im Fjordland Nationalpark auf der Suedinsel ist einer der "Sieben Grossen", und seit ich die Huetten in einer Nachtundnebelaktion von Bali aus gebucht hatte, hab ich mich jeden Tag mindestens einmal darauf gefreut. Alles ging sich so aus wie geplant, und so stand ich vor fuenf Tagen auch vor dem Schild, das den Beginn der viertaegigen Wanderung markiert. Bestens ausgeruestet: Zehn Packungen Instant Nudeln, ein Paar Strassenschuehe, deren Schuhbaender ich nach den ersten Kilometern durch Kabelbinder ersetzt habe und mit einer Regenjacke, die genauso wasserdicht ist, wie meine thailaendische Badehose. Aussicht auf Schnee, und durchschnittlich 25 Tage mit Regen im November. Aber irgendwie muss man sich das Leben ja aufregend gestalten.
Vom ersten Moment an ist dieses Gefuehl da, das einen und seine Entscheidung, hierher gekommen zu sein, bestaetigt. Die Umgebung, die Natur. Und nur das, pur. Vom Regenwald kommt man in eine Sumpflandschaft, durch eine komplett anders aussehenden Regenwald dann in hoehere Regionen, vorbei am hoechsten Wasserfall Neuseelands und ueber einen tief verschneiten Pass in ein anderes Tal, das wiederum wie eine andere Welt erscheint. Das T-Shirt mit der Aufschrift "Actually yes, the world does revolve around me" habe ich zuhause gelassen. In dieser Umgebung, einer Welt, die man als Gast betritt und sich als Mensch klein und nichtig vorkommt, erscheint mir dieser Slogan laecherlich, aber wenn sich scheinbar sogar das Wetter danach richtet, es fuer drei Tage erst regnen zu lassen, wenn ich mir - sicher angekommen - meine Dosenspagetti am Gaskocher warm mache, die nach dem ersten Umruehren wie aufgeweichte Maden-Wasserleichen in Ketchup aussehen, glaubt man doch daran. Und dann schlaeft man, gut, traeumt mehr als in anderen Naechten und freut sich um sieben wieder am Weg zu sein, wenn der Kiwi in der Ferne fruehmorgentlich zu Paarung aufruft. Jeder Kilometerpfosten - oder Meilenstein - wird zum kleinen Erfolgserlebnis, bis man schlussendlich "oben" ankommt. Und alles nur, um auf der anderen Seite wieder hinuntergehen zu koennen. Vergebliche Muehe, sagt die eine Gehirnhaelfte, die den Aufwand am praktischen Nutzen wie ein Preis-Leistungsverhaeltnis misst, und das ganze lieber aus einem Flugzeug oder Auto fotografiert haette. Die andere aber springt und ruft Juchheissassa, und kann nicht aufhoeren zu staunen und sich zu wundern. Ist es nicht eigenartig, meint sie, dass ich erst hierher, in die Alpen der suedlichen Hemispaehre oder den Dschungel Malaysiens, kommen muss, um eine Leidenschaft und ein Gefuehl zu entdecken, das mir als Oesterreicher eigentlich im Blut liegen sollte? Vielleicht ist das Reisen gerade deshalb erfunden worden, um andere Laender zu bewundern, aber sein eigenes, das, was daheim vor der Haustuere liegt, dadurch umsomehr schaetzen zu lernen. Wenn ich mir die etlichen Vegetationen und Kulturen, Menschen, die ich in den letzten vier Monaten erlebt habe, durch den Kopf gehen lasse, schiesst doch der eine Gedanke, der an daheim, wieder dazwischen und reiht sich irgendwo darunter oder ganz an der Spitze ein.
Neuseeland, Mittelerde. Zufall kann es nicht sein, dass dieses Land ist, was es ist, und seine Natur in diesem Monsterprojekt Anerkennung fand. In den ersten Tagen habe ich mich noch auf die Suche nach den Drehorten begeben und mir dann, dort oder unwissentlich zwei Kilometer davon entfernt, krampfhaft vorgestellt, wo Legolas dem Olifanten in den Kopf schiesst. Aber dieses Land ist kein Filmstudio, in dem die Berge als Kulisse Seriennummern haben und Haeuser nur aus einer Wand bestehen. Den einen Ring hab ich zwar jetzt auch, aber der groessere Genuss ist es, durch Regionen und Landschaften zu gehen, die auf den 35 Millimetern Peter Jacksons keinen Platz mehr fanden, aber umsomehr in der Phantasmagorie Tolkiens ihre Berechtigung haetten. Neuseeland ist grossartig, und obwohl ich erst eine Woche hier bin, weiss ich schon jetzt, wo ich ueberall hin will, wenn ich wieder hierher komme, nachdem ich in vier Wochen auf die Fijis weiterfliege. Nunja, wenn ich auf die Fijis weiterfliege. Es existiert zwar noch keine offizielle Reisewarnung, aber ein gewisses Panikpotenzial ist da, und so konnte ich, dank zahlreicher Stornierungen, nun doch meinen Flug nach L.A. ein wenig vorverlegen, um ein weiteres Land, oder zumindest eine andere Art Heimat, fuer ein paar Tage in meinen ohnehin schon platzenden Plan hineinzuquetschen. Es geht einfach alles auf, besser als es das eigentlich tun sollte, denke ich mir. Zusaetzlich habe ich in den letzten Tagen auch noch das eigentlich schon an die Unloesbarkeit aufgegebene Raetsel meiner Jugend geloest. Der groesste Triumpf dieses Tracks war nicht, mit Strassenschuhen eine tief verschneite Bergspitze zu erklimmen (und wieder heil hinunterzukommen - nicht wie drei andere meiner Gruppe, die per Helikopter nachhause reisten), und auch nicht, sich um sechs in der Frueh auf einen tiefgekuehlten Klodeckel zu setzen. Nein, ich habe nach acht Jahren herausgefunden, wie der Dosenoeffner meines Schweizer Taschenmessers funktioniert, das ich zur Firmung bekommen habe. Sogar dafuer musste ich offensichtlich zuerst ans andere Ende dieser Welt reisen.

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Donnerstag, 23. November 2006

Ueber Lena, Gummi und Thermalunterwaesche...

Nach den letzten zwei Tagen und der gluecklichen Erkenntnis, dass Lena faehrt, geht es mir wieder einmal besser denn je und ich fuehle mich nun mehr als bereit, dieses Land zu erobern, oder zumindest zu erkunden. Lena ist uebrigens mein Auto. Lena Sashimigolas Kafka, so habe ich sie getauft, nachdem sie die ersten 700 Kilometer besser mitmacht, als ich mir das gedacht haette. Und ich hab sogar schon zwei Naechte am Beifahrersitz geschlafen, etwas kalt, aber in Ordnung. Also, warum L.S. Kafka, werden sich manche fragen. Das hat natuerlich einen Grund. Irgendetwas wollte ich schon immer auf den Namen Kafka taufen. Vorzugsweise einen Goldfisch. Aber da ich mir erklaeren hab lassen, dass es Tierquaelerei sei, einen Goldfisch in einer Glaskugel zu halten, gab ich den Gedanken auf, denn nur so kaeme das ganze in Frage. Das naechste war eine Kornnatter, aber die frisst tiefgefrorene Maeuse, und das kostet mehr als ein wenig Ueberwindung. Und so bleibt mein erstes eigenes Auto. Deshalb Kafka. Die beiden Vornamen haengen direkt mit meiner 17 jaehrigen Schoenheit aus Japan zusammen. Lena erinnert mich an die Zeit, in der ich siebzehn war, und da ich mich an keine schlechten Erfahrungen mit Lena erinnern kann, projeziere ich meine Hoffnung auf ausschliesslich gute Erfahrungen nun auf Lena, mein Auto. Und wie wuerde das denn aussehen, wenn ich einem Auto keinen Maedchennamen geben wuerde. Deshalb also Lena Kafka. Nun brauche ich noch etwas japanisches, um die Herkunft meines Toyotas nicht zu verleugnen, Sashimi, und etwas, das mich daran erinnert, in Mittelerde zu sein. Schoenheit ist sie ja keine, aber den Elfen Suffix -golas fand ich passend. Deshalb Lena Sashimigolas Kafka. Unglaublich, diese Unabhaengigkeit. Wenn man sich ein Auto aus dem Jahre 1989 um weniger als 250 Euro kauft, erwartet man zunaechst einen widerspenstigen Rowdy, der den Weg aus der Autopubertaet nicht gefunden hat und von hinten bis vorne, also quasi von Nummerntafel bis Nummerntafel, nur Probleme macht. Nicht so meine Lena, die sich bis jetzt als braves, reifes Maedchen herausgestellt hat. Wie gesagt, wirklich gutaussehend ist sie nicht, aber so passt sie zumindest zu mir und ihren Zweck hat sie bis jetzt mehr als erfuellt.
Und jetzt zu Neuseeland. Christchurch hab ich fluchtartig verlassen und fand mich wenige Minuten spaeter auf einer unglaublichen Landstrasse... Rohan, Gondor und irgendwie auch Mordor, alles findet man hier, in einer Vielfaeltigkeit, die man sich kaum vorstellen kann. Nur die Schafe, die sind eintoenig, und ueberall, in tausendfacher Schar. Aber auch daran gewoehnt man sich. Das Ziel, das ich verfolgte, war der Sueden der Insel. Te Anau, von hier, wo ich jetzt auch bin, beginne ich morgen den Milford Track, einen der schoensten der Welt, wie ich mir sagen hab lassen. Mehr dazu, wenn ich wieder zurueck bin. Am Weg liegt Queenstown, eine Stadt, in der man sich primaer mit Trackingausruestung eindeckt und sein Geld, das man spart, indem man im Auto und nicht in Hostels schlaeft, in Sekunden fuer verrueckte Sachen hinauswirft, oder gut ueberlegt investiert... wie auch immer man die Sache sieht. Jetboating war da noch die billigere Angelegenheit, und auf jeden Fall die Investition und nicht der Rausschmiss. 40 Minuten zieht man bei einer extremen Geschwindigkeit einen Regenbogen hinter sich her, faehrt durch enge Schluchten, bremst von 80 km/h innerhalb von einer Sekunde durch eine 180 Grad Drehung auf Null ab und faehrt ebensoschnell in die entgegengesetzte Richtung weiter. Regenbogen sind hier uebrigens ueberall, es gibt kaum einen Moment in dem es nicht irgendwo regnet, und das Farbspektrum ist so fast immer in irgendeiner Richtung zu sehen. Wie die Sonne halt gerade steht. Nun, der wahre Thrill des gestrigen Tages war aber die Thrillogy. Wie der Name schon sagt. Man kann nicht in Queenstown sein, der Geburtsstadt des komerziellen Bungee Springens, ohne zumindest von einer Bruecke zu springen. Mit Gummiseil an den Beinen, versteht sich. Gestern von laecherlichen 43 Metern, die sich im Laufe der naechsten beiden Spruenge noch um mehr als das dreifache steigern werden. Wir werden sehen, Fotos folgen. Die letzte Aufgabe des gestrigen Tages war noch die Besorgung des absolut noetigsten Equipments fuer den Track. Da ich all mein Geld fuer Spruenge von Bruecken, Tuermen und Gondeln ausgab, ging sich vorerst nur eine Fleece Jacke, Haube und Handschuhe aus. Die Verkaeuferin erklaerte mich fuer absolutely crazy und willing to kill myself, wenn ich den Milfordtrack ohne lange Thermalunterhosen und nur mit meinen thailaendischen Baumwoll T-Shirts bestreiten moege. Auf die Wette steig ich ein, sagte ich ihr, und so werde ich mir, forausgesetzt ich komme ohne Frostbeulen zurueck, in fuenf Tagen meinen Preis abholen. Ein Paar nigelnagelneue Thermalunterhosen aus einem Material, das ich weder aussprechen, noch buchstabieren kann.
Soweit, so gut. Jetzt geh ich in die Berge, wuenscht mir und Lena Glueck. Ich fuehle mich wohl, auch wenn alle zwei Stunden irgendwer auf mich zukommt und mit einer neuen Art von Extremsport the shit out of me scare-ren will.
m

Mittwoch, 22. November 2006

Ueber eine Art Eigenart...

Seit ich vor 24 Stunden vom sandigen Australien ueber (Eis)Berge, Ozean und Wolken ins kuehl fruehlingsbeginnhafte Neuseeland flog begann ich das erste Mal eine Art Eigenartigkeit zu fuehlen, wie sie mir auf dieser Reise noch nicht begegnet ist. Irgendwie empfand ich, zu frueh hier zu sein. Kein Reisefueher in der Tasche (dafuer Mark Twain), keinen Plan, wie ich mich hier fortbewege, wo ich eigentlich hin will. Nur die Vorgabe, in drei Tagen 900 km weiter suedlich sein zu muessen. Autostoppen? Hm, sicher eine Moeglichkeit, aber irgendwie war mir nicht danach. Busse? Nein, die fahren hier nur gegen den Uhrzeigersinn. Ein Auto muss her, mindestens eins, war der (letzte) Entschluss, den ich gemeinsam mit meinem Bruder und dem oberoesterreichischen Empfangskommitee vom Flughafen gefasst hatte, und so war der erste Weg nach Baggage Claim nicht ein Hostel, sondern ein Backpacker Autobazar. Vier Blicke, acht Telefonanrufe, drei geworfene Muenzen und eine "drueber schlafen muessen" Nacht steh ich nun da, mit meinem ersten eigenen Auto, einem nigelnagelneuen 1989er Toyota Corolla, obwohl ich mir nichteinmal sicher bin, wie man das schreibt. Der Hauptgrund, warum ich diesen Wagen einfach haben musste, ist, dass ich mich schon jetzt darauf freue, ihn zu einem kleinen Wuerfel stampfen zu lassen, wenn sich andere Backpacker zu gut dafuer fuehlen. Das waeren die nichteinmal 250 Euro wert. Ach ja, und eventuell begleitet er mich auch auf den nach Australien laecherlich erscheinenden Distanzen hier. Ob die Entscheidung weise war, weiss ich nicht, aber da ich mir in meinem Alter weder Weisheit anmassen moechte, noch mich dazu genoetigt fuehle, sie als Ersatz fuer andere Tugenden mein Eigen nennen zu muessen, bleib ich vorerst leichtsinnig, wie es mir rangmaessig zusteht, wenn auch ueberlegt leichtsinnig. Immer wieder trifft man Entscheidungen, die sich im Nachhinein als entweder brilliant oder aber fatal herausstellen koennen. Ich hoffe auf das erste, und ausser hoffen werde ich mein bestes und ueberlegtestes dafuer tun, es zu einer solchen zu machen. Von Christchurch selbst habe ich ausser Automaerkten noch wenig gesehen, und irgendetwas zieht mich weg aus dieser Stadt, nicht nur die Zeit. Wirklich wohl fuehle ich mich in Neuseeland nach einem Tag noch nicht, und trotzdem gibt es da nicht einen einzigen Moment, in dem ich ein grosses, tiefes Loch graben will um jetzt schon nach Wien zurueckzukehren. Nein, es zieht mich woanders hin, und auch wenn ich nicht weiss in welche Richtung, begebe ich mich heute Abend auf die letzte Etappe, die mich noch wenige hundert Kilometer weiter von diesem fernen Ort, den ich daheim nenne, fortfuehrt, bevor es wieder noerdlich und umkehrend oestlich geht. Und zwar mit meinem eigenen Auto. Ich weiss nicht, warum ich das wollte, aber irgendwie fuehlte es sich richtig an, wenn auch eigenartig.

Henry David Thoreau

I went to the woods because I wished to live deliberately, to front only the essential facts of life, and see if I could not learn what it had to teach, and not, when I came to die, discover that I had not lived.

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