Australien

Montag, 20. November 2006

Ueber ein Zuhause und Daheim...

Ist das nicht eigenartig, wenn man in eine neue, weit entfernte Stadt kommt, und sich nach wenigen Stunden wie zuhause fuehlt. Man glaubt, jeden Teil, jede Strasse, jeden Ausblick schon zu kennen, schon einmal gesehen zu haben und irgendwie da gewesen zu sein. Man navigiert instinktiv und nach Gefuehl, man sucht einen Ort nicht auf der Karte, sondern geht einfach, fuehlt sich wohl und kommt eventuell dort an. Nach dem ersten Latte Macchiato nennt man einen Ort sein Stammcafe, kehrt hierher zurueck und liest ein Buch. Meine Zeit in dieser Stadt ist auf ein irrwitziges Minimal von heuchlerischen drei Tagen begrenzt, trotzdem fuehle ich mich, wie wenn ich schon immer hier bin. Dass ich mein Zimmer mit fuenf anderen Menschen teile spielt keine Rolle, fuer diesen Begriff von Zuhause, den ich meine, ist ein eigenes Daheim nicht entscheidend. Ein Daheim ist, so wie der Spargel, wurde mir gesagt, ohnehin in der Idee und im gedanklichen Wert viel entscheidender und wichtiger als in der tatsaechlichen Ausfuehrung. Ich fuehle mich wohl dabei fuer eine begrenzte Zeit einen Rucksack als meinen einzigen Bezugspunkt und staendigen Begleiter zu erklaeren. Wie an alles gewoehnt man sich daran, beginnt damit zu leben. Immer wieder dieser grossartige Moment, all seine Sachen zu packen und ein Zimmer, eine Strasse, eine Stadt, ein Land oder gar einen Kontinent fuer einen anderen zu verlassen. Jeder Handgriff sitzt mittlerweile perfekt, wie in einem dreidimensionalen Gedankenhologramm kann ich mir zu jedem Zeitpunkt vorstellen und weiss genau, an welcher Stelle sich meine Zahnbuerste, mein Taschenmesser oder das letzte saubere Paar Socken befindet. Nur der ordnungsliebende Kragen meines neuen und mit Shostakovich eingeweihten Hemdes hat sich noch nicht an das geordnete Chaos meines Lebenspartners gewoehnt. Wird er aber, frueher oder spaeter.
Gerade eben habe ich mit jemandem geredet, den ich in Malaysien kennen und schaetzen gelernt habe. Sie ist wieder daheim, wohnt das erste mal seit 7 Jahren wieder mit ihren Eltern und versucht sich daran zu gewoehnen, dass sie sich geaendert hat, nicht aber die Welt, aus der sie entstammt. Schon einmal habe ich diese eigenartige Distanz erfahren und frage mich, wie es diesmal sein wird, in ein tatsaechliches Zuhause zurueckzukehren. In Sydney spielen sie die Geschichten aus dem Wienerwald und ich tausche meinen Australien Reisefuehrer fuer ein Mark Twain Buch. The Innocents Abroad, wiegt weniger und passt besser in meinen Rucksack. In solchen Kategorien denkt man, ganz abgesehen von dem gedanklichen Wert, der den eines Austalien Lonely Planets in Neuseeland bei weitem uebersteigt. Auch wenn ich meinen Flug morgen frueh ganz sicher wahrnehme, koennte ich mir vorstellen, fuer laenger oder sehr viel laenger hier zu bleiben, auch wenn glaenzend weisse Segel das Neorenaissance Gebaeude am Ring nie ersetzen werden koennen und ich mir die Tales from the Vienna Woods dann doch lieber auf deutsch ansehe. Sydney ist grossartig, und in den letzten Tagen bin ich aus dem Staunen kaum herausgekommen. Wie unter undefinierbarem Dopingeinfluss laufe ich getrieben von der Konsumgier meiner Augen sechzehn Stunden am Tag durch die Stadt. Da gehen sich durchschnittlich drei Hochzeiten, zwei Werbespotdrehs, ein Museum, zweieinhalb Gratiskonzerte, drei Treffen mit Backpackern, die man schon in einem anderen Land dieser Welt gesehen hat, ein Latte Macchiato im Stammcafe und mindestens zehn andere Ereignisse pro Tag aus, die es wert sind, sich ein Leben lang daran zu erinnern. Und immer wieder kehrt man zu diesem Postkarten Ikon und Desktophintergrundbild zurueck, dem Hafen, wo in Sydney alles zusammen- und hinlaeuft.

Shostakovich

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Donnerstag, 16. November 2006

Ueber Jesus, Scientology und tiefgehende Joghurts.

Byron Bay, ein Surfers Paradise in der Naehe des namensunwuerdigen Surfers Paradise suedlich von Brisbane und gleichzeitig zentrale Hippieregion Australiens, wo Jesus am Strand liegt (wenn er nicht gerade am Mount Jerusalem in grossen schwarzen Lettern "Make Love not War" auf seinen pinken Gartenzaun streicht) und man das Hostelzimmer mit Menschen teilt, die am Strassenrand Ringe aus Sandelholz verkaufen. Sympathisch vom Stadtbild, aber die Leute sind mir dann doch ein wenig zu strange, besonders wenn sie mich an der Schulter fassen und mir mit weit aufgerissenen Augen "Twinniiiiiieeee" ins Gesicht schreien, mit einem Unterton, der nur ahnen laesst, dass ich die naechste Nacht auf mysterioese Art und Weise nicht ueberleben werde. Eventuell tat ich das dann doch, auch wenn die letzten Tage noch immer sehr traeumerisch und vertraeumt erscheinen, und deshalb esse ich zum Fruehstueck ein griechisches Joghurt der Marke Attitude. Wie absurd diese Welt ist. Abendessen gibts bei den Seventh-Day-Adventists, gemeinsam mit Japanischen Touristen und Solchen, die in den Sechzigern steckengeblieben sind und, zugegeben stolz, Bananenbaeume ihr Zuhause nennen. Im Zentrum von Byron Bay steht der Strand und die damit verbundene Surfer Natur, die Bali nur allzusehr aehnelt. Sogar die Preise sind die selben, mal abgesehen von der Waehrung. Leuchttuerme am oestlichsten Punkt des Kontinents, Delfine und Nachzuegler-Wale am Horizont. Je suedlicher ich komme, desto kaelter und geistlicher wird es. In Brisbane konnte ich dem Schild "Curious about yourself?" aus Respekt vor Tom Cruise und John Travolta noch widerstehen, Tarotlegen in Nimbin war mir ganz einfach zu teuer, aber nachdem mir ein selbsternannter Zeuge heute um 6.20 Uhr erklaeren wollte, dass die Welt sehr bald ihr Ende finden wuerde, konnte ich der Diskussion, dass ich dafuer noch viel zu viel vor haette, nicht widerstehen. Ich bin doch gerade erst aus dem Nachtbus ausgestiegen und wollte zumindestens noch das Opernhaus sehen, erklaere ich ihm. Im Paradies spielen Plaene ueber das weltliche Leiden keine Rolle, meint er. Ich befinde mich aber ganz offensichtlich schon in einer Art Paradies und plane alles andere als zu leiden, meine ich. Gut, ich lasse mir eine Broschuere mit vanillefarbenem Himmel und einer strahlenden Familie beim Picknick im Park (-aradies) in die Hand druecken, er verspricht mir darueber nachzudenken, nach Europa zu reisen und die Hoffnung an diese Welt nicht vollkommen aufzugeben.
Nun bin ich also hier, stehe vor einem Gebaeude, das ich schon hundert mal gesehen habe, und doch sieht es irgendwie anders aus. Die Touristenkonkurrenz schlaeft noch, es ist gerade erst sieben. Ich sitze vollkommen alleine auf einer riesigen Steintreppe unter der Oper und fruehstuecke die restliche Packung Chips vom Vortag. Gelegentlich passieren mich fruehmorgentliche Jogger, bis diese dann langsam aber doch sicher von den ueblichen Besetzern dieses Ortes abgeloest werden, die wie die Hunnen in "Mulan" am Horizont erscheinen. Y, er, san, cheeeeese. Soweit reicht mein Mandarin noch aus um zu begreifen, dass ich mich verziehen sollte, wenn ich mit meiner langen Nase nicht zentralasiatische Digitalfotos schmuecken moechte. Apropros Schmuecken. Wieso faellt mir das eigentlich daheim nie auf, wenn die Weihnachtsbeleuchtung montiert wird? Vielleicht traegt auch das einfach nur zu meinem an die Absurditaet verlorenen Weltbild bei, wenn in ganz Australien Schneeflocken und Schlitten aus Gluehbirnen montiert werden und Kaenguruhs, Emus und Wombats in Schaufenstern die Krippengeschichte nachstellen. Und dazwischen weitere Zeugen, die, diesmal berechtigt, das nahe Ende der Welt prophezeihen. Zeuge ist auch meine Kamera, die all das ins Detail dokumentiert.
Nach der letzten Woche weiss ich nicht mehr genau, an was ich eigentlich glaube, oder umgekehrt, vielleicht weiss ich jetzt noch viel genauer, an was ich eigentlich glaube. Bei all dem Chaos denke ich immer noch an eine gewisse Ordnung, und ein grosser Teil davon ist heute Abend wieder hergestellt, wenn ich nach fast schon kriminell erscheinendem Kulturentzug fuer vier Monate in das ueberdimensionale Segelboot steige. Und dafuer geh' ich mir jetzt ein Hemd kaufen.
m

Dienstag, 14. November 2006

Ueber Joe, Imitatio Roostae und ein unmoralisches Angebot...

Zugegeben, das unmoralische Angebot, von dem ich spreche, ist in keiner Weise unmoralisch. Mir gefaellt nur die Wortkombination, und nun mal ehrlich, wie moralisch kann ein Angebot an einen am Strassenrand stehenden und Autos stoppenden Backpacker schon sein. Also der Deal war simpel: Ich helfe ihm einen Vormittag lang dabei, ein Flugzeug zu kaufen, es zu transportieren und in seinen ueberdimensionalen Gartenhaeuschenhangar zu laden, dafuer fliegt er mich am Abend mit seinem motorisierten Gleitdrachen ueber die Sandduenen, Schiffswracks und glasklaren Seen Frasier Islands. Bloede Geschichte, denke ich mir, stecke die linke Hand in die Hosentasche und ueberpruefe, ob der Pfefferspray noch da ist, wo er hingehoert, und steige ins Auto. Wenn man Autos stoppt, erwartet und erhofft man sich nichteinmal im hintersten Kaemmerchen der Kleinhirnanhangsdruese (sofern es eine solche gibt), ein Flugzeug zu bekommen, aber offensichtlich bin es wieder einmal ich, dem so etwas dann doch passiert. Und so flog ich, beinahe zwei Stunden, noch am selben Nachmittag zurueck zu dieser wunderbaren Insel, die von oben zwar unwirklicher, aber noch viel schoener erscheint. "Hier war ich schwimmen!", "Hier ist unser Auto im Sand gesteckt!", "Hier hab ich meine Flip Flops verloren!", ein Rueckblick aus der Vogelperspektive. Wie Hamlet sitzt man in einer Nussschale (denn viel groesser ist das Fluggestell nicht), und fuehlt sich trotzdem wie ein Koenig. Beim Rueckflug eilen wir einer Horde Kanguruhs im Tiefflug hinterher, und ich wundere mich erneut ueber die Absurditaet der Situation. Zurueck auf die Strasse, noch ein paar Kilometer weiter kommen, um am fruehen Morgen des naechsten Tages schnell weiter zu kommen. Wieder stehe ich vor der taeglichen Frage, wo ich ein paar Stunden Schlaf finde, auch wenn Schlafen in dieser Phase des Erlebens das letzte ist, zu dem ich motiviert bin. Ich frage Joe nach einem Caravanpark, Joe meint, ich soll mein Zelt in seinem Garten aufbauen. Joe ist laut g'schichtldruckerischer Selbstdefinition eine ehemalige Bikerlegende, stand fuer lange Zeit auf der Todesliste der Hells Angels und verbrachte drei Jahre im Gefaengnis, weil er Speed an seine Truckerfreunde verkauft hat. Joe ist ein cooler Typ, ich mag Joe, auch wenn auf seinem Boden aus Mahagoni ein rostiger, tropfender Kuehlschrank steht, auf dem eine Familienpackung Sedativa und ein unausgefuellter Arbeitslosengeldantrag liegen. Um sechs Uhr steh ich wieder auf der Strasse, es ist die beste Zeit um weite Strecken zurueckzulegen. Wenige Stunden spaeter stehle ich verzweifelten Eltern die Show, als ich im Australia Zoo mit meiner mittlerweile ausgearbeiteten balinesischen Gockelhahnmime den Tiergeraeuschimitationswettbewerb dominiere und ein privates Koalabaerfotoshooting fuer mich gewinne. Zwanzig Stunden Schlaf, vier Stunden Essen und sich zwischendurch paaren... das ist ein Leben, doch ich moechte im Moment nicht einmal mit einem Koala tauschen. Der Zoo ist grossartig, vorallem, weil man viele "Kaefige" von innen sieht, auch, wenn ich das Memorial fuer eine eben verstorbene, 160 Jahre alte Galapagos Riesenschildkroete um zwei Tage verpasst habe.
Abgestumpft durch die konsequent permanente Reizueberflutung finde ich mittlerweile Geschmaecker und Gerueche interessanter als visuelle Eindruecke. Die erste Beruehrung der Zunge mit einer bestimmten Sorte Orangensaft laesst mir einen Zeitpunkt und Abschnitt meines Lebens in Sekundenbruchteilen regelrecht durch die Gedanken fahren. Der Duft einer bestimmten Stadt erinnert mich an eine andere, am anderen Ende der Welt, zieht Querverbindungen zu dem, was ich bis zu diesem Tag erlebt habe. Ich versuche diese Spinnennetze in Worte zu fassen, und tue das seit neuestem auch fuer ein Australisches Reisemagazin. Same same, but different. Heute ist Dienstag, und obwohl der Name eines jeden Wochentags in den letzten Monaten auf Reise beinahe gaenzlich an Bedeutung verloren hat, fuehlt es sich irgendwie so an. Ich denke mir immer wieder, dass meine zweite Studienrichtung vielleicht nicht ganz zwecklos ist. Es ist ueber die letzten Wochen beinahe zum Genuss geworden, verschiedene Dialekte und Akzente zu hoeren und zu bestimmen zu versuchen. Ein Wort, das schon von 200 Metern gegen den Wind erahnen laesst, dass sein Redner aus Irland kommen muss; das deutsch-englische W, das alleine beim Ablesen der Lippenbewegung auf den Magen geht; der kleine, aber feine Unterschied zwischen Amerikanern und Kanadiern. Ich bin fasziniert von Sprache, was Sprache bewirken kann und wie wichtig die Rolle der Art und Weise ist, eine Frage zu stellen. Alles ist moeglich, wenn man nur danach fragt, und es richtig tut.
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Samstag, 11. November 2006

On the "Road" again... Still.

Ich stehe zwischen den Dingen. Einhundertundsechs Tage vergangen, einhundertundfuenf noch vor mir. Halbzeit, quasi, und ich weiss nicht, ob ich mich mehr ueber das freuen soll, was ich bis jetzt erlebt habe, oder mehr auf das, was ich noch erleben werde. Auf jeden Fall hab ich bis zum heutigen Tag 70 Naechte in 36 verschiedenen Hostels verbracht, jeweils neun mal in Bushcamps geschlafen und Zelten gecampt, vier mal im Bus, ein mal im Flugzeug, drei mal am Boot, vier mal bei Bekannten und ein mal am Flughafen uebernachtet, und nicht zuletzt eine Nacht in einem Bergdorf und drei Naechte im Dschungel "erlebt" und vertraeumt. Mittlerweile habe ich in 23 verschiedenen, fremden Autos gesessen, drei Handtuecher verloren und 51 Menschen haben sich ueber die Groesse meiner Fuesse gewundert. Nicht, dass sich eine solche Reise in Statistiken fassen laesst, aber zumindest geben sie einen geringen, nachvollziehbaren Ueberblick ueber das, was mir in vieler Hinsicht schon wieder so unglaublich, unwirklich fern vorkommt. Bis jetzt war es der Tag der Heimkehr, den ich noch nicht mal ins Auge fassen konnte und wollte, aber seit einigen Stunden muss ich die Tage nach unten zaehlen, und die erste Nacht in dem heruntergekommenen Guesthouse in der Khao Sarn Road wird immer mehr zu einer unwirklichen Vergangenheitserscheinung.
Neben meinen Handtuechern hab ich nun auch zum ersten Mal meine Schuhe verloren, aber wie alles seh ich auch das als gluecklichen Zufall, befand ich mich doch gerade auf der groesten Sandinsel der Welt, und wo wuerde man lieber seine Schuhe verlieren als auf einem endlos erscheinenden Strand mit subtropischem Hinterland, Frasier Island. Nach dem paradisischen Gefaengnis auf den Whitsundays wird einem hier gemeinsam mit neun anderen Backpackern der Schlussel zum eigenen 4WD Auto und der damit verbundenen Unabhaengigkeit (mal abgesehen von der Flut) in die Haende gedrueckt. Drei Tage Strand wie Sand am Meer, Offroad Roads durch den Dschungel, man-eating Sharks und crap-eating Dingos, unecht klare Suesswasserseen, die an die Blaue Lagune erinnern, und nicht zuletzt ein rostiges Schiffswrack, zu dem ich immer wieder zurueckgekehrt bin, um die unglaubliche Atmosphaere noch einmal zu geniessen, sobald die victoryfingerformenden Japaner samt ihren Stativen das Fotoatelier verlassen haben. Hier laesst sichs leben, hier vergisst man, an was man nicht denken will. Einhundertfuenf Tage noch, das sind 2520 Stunden oder 151200 Minuten, von denen ich jede so geniessen will, wie die letzten 9158400 Sekunden.
Ueberschlagsmaessig.
m

Mittwoch, 8. November 2006

Bloody Hell, the guy took my fuckin' bag!

Wiedereinmal frage ich mich, was ich nun schreiben wuerde, wenn die letzen Stunden anders verlaufen waeren, als sie sind. Eventuell wuerde ich jetzt ohne Reisepass, Flugtickets, Geld und, am schlimmsten, ohne Kamera dastehen, und das ist gar nicht so weit hergeholt. Drei Uhr frueh, letzte Nacht. Ein irisches "Bloody Hell..." weckt mich und zwei Typen kriechen gerade unter das Bett neben mir und greifen nach irischen Rucksaecken. Die naechsten Minuten - zwischen Halbschlaf und Adrenalinschub - scheinen wie eine schlechte Feueralarmuebung ohne Feuer. In Boxershorts und ohne Schuhe folgen die Iren dem Herren in schwarz, der ihre Shamrock Taschen noch immer in den Haenden haelt. Ich folge den Iren in die Dunkelheit, wo Wertsachen wie Strand am Meer am Boden verteilt liegen. Hier fliegt ein Flugticket durch die Luft, dort wird eine Mastercard vom Winde verweht, Digitalkameras ueberall. Entleerte Rucksaecke pflastern den Campingground, wir waren offensichtlich nicht der erste Stall, in dem der boese Wolf (zugegeben ein sehr dummer, boeser Wolf) sein Unwesen trieb. Die meisten Backpacker, die ihrem Namen regelrecht entledigt wurden, schlafen noch und ahnen nicht, dass ihre Taschen, sofern sie noch da waren, wie in einer Mullsammelaktion aufgeklaubt und an einen "sicheren" Ort gebracht werden. Nochimmer verfolgen die Iren den ihren, und obwohl sich nach wenigen Stunden herausstellt, dass es ohnehin nur ein amtsbekannter Routinefall war, kann das HBPD (Hervey Bay Police Department) nichts tun ausser vermuten, dass der Typ schon am Weg nach Brisbane ist um Ipod, Nokia und Canon fuer Drogen zu verkaufen.
Ebenso frage ich mich wieder einmal, aus welcher Quelle ich mein Glueck in solchen und anderen Angelegenheiten beziehe. Nichts passiert, nur ein weiteres Abenteuer, eine weitere Geschichte, ein weiterer Beitrag.
Die Whitsundays und das damit verbundene Segeln war zwar schoen, sind aber nicht unbedingt eine eigene Geschichte wert. Man "segelt" ohne Wind, dafuer aber mit einem cholerischen Generator und neunundzwanzig anderen Jugendlichen durch wunderbar tropische Inseln, laesst sich von einer Crew, die sich wie schwer pubertierende Fuenfzehnjaehrige in einem Magic Life Club benimmt, mit loeffelweise Vegimite, der australischen Nutella Version ohne Schokolade dafuer mit jeder Menge natuerlicher Abfaelle, bestrafen und zahlt wie immer mehr, als man sollte. Ich weiss nicht, welche Abzocke mir widerlicher erscheint. Die Thailaendische Version, in der dir ein Gesicht gegenuebersteht, das dich in eine Lage bringt, aus der du nicht mehr aus kannst und horrende Preise fuer Hilfe verlangt, oder die westliche Variante, in der du einem System, einem Komplex, einem Management gegenueberstehst, das man nur mit offiziellen Beschwerdeschreiben erreichen kann, und das einen trotzdem an jeder Gelegenheit ausnimmt, wie eine Weihnachtsgans. Aber mir geht es gut und ich bin mir sicher, dass die Sound of Music Tour Angelegenheit im fernen Salzburg keine andere ist.
Zumindest was den Transport betrifft entweiche ich der touristischen Zwickmuehle, auf jede denkbare "Surcharge" Weise die Pension des australischen Finanzministers zu finanzieren, und werde hoffentlich weiterhin mit ueberdimensionalen Betonmixmaschinen und Familienvaetern mitfahren, die sich in ihr oesterreichisches Au Pair Maedchen verlieben.
m

Freitag, 3. November 2006

Two thumbs way, way up!

In Grossgmain zieht der tiefe Winter ein, orf.at berichtet ueber ein Sonnensegel, das das Great Barrier Reef vom Verbleichen schuetzen soll, und ich steige in gut zwei Stunden bei angenehmen 30 Grad auf ein Schiff, das fuer drei Tage quer durch die Whitsundays segelt.
Nachdem das Fliegen mittlerweile schon fast zur Routine und jedes Flugzeug zum alltaeglichen Verkehrsmittel geworden ist, war es hoechstens an der Zeit, einmal so richtig verspaetet und muede in einer neuen Stadt anzukommen, mit zwei schmerzenden Oberschenkeln, die sich trotz Tigerbalsam noch immer nicht vom roten Outback erholt hatten. In Cairns selbst verbrachte ich nur wenige Stunden bei Tageslicht. Nach der ersten Auseinandersetzung mit dem an der Ostkueste herrschenden Carpe-Noctem-Reiseklima bestieg ich schon vor vier Tagen ein Boot, um mich 24 Stunden alleine dem grossen Riff und all dem, was darin lebt, zu widmen. Sechs Tauchgaenge und eine Einsicht spaeter, dass ein Sonnensegel vielleicht wirklich keine schlechte Idee waere, gings - gemaess dem australischen Perfektionstourismus - wieder zurueck an Land. Ueber dem Meeresspiegel merkt man kaum, welche Massen an Menschen sich taeglich richtung Open Water (Diver) aufmachen. Erst wenn sich die Schildkroeten von internationalen Streicheleinheiten entziehen und ueber leb- und farblose Korallenfriedhoefe fliehen wird einem bewusst, dass man froh sein sollte, diesen Anblick hier und heute noch erleben zu koennen. Immer wieder stelle ich mir die selbe Frage, wie meine Reise wohl ausgesehen haette, wenn ich nich vor drei Monaten, sondern vielleicht vor dreisig Jahren, oder in dreisig Jahren, oder wann auch immer, nur nicht jetzt, aufgebrochen waere. Was ich dann erlebt haette, was ich nun nicht erleben kann, oder viel wichtiger, was ich dann nicht erleben haette koennen, was ich heute erlebe.
Vor gut zwanzig Jahren war fuer viele Autostoppen wohl auch die einzig "wahre" Art und Weise, Australien zu bereisen. Heute macht das offensichtlich (fast) keiner mehr. Umsomehr ist es eine Herausforderung, Greyhound, PBS und Co abzuhaengen und mit einem ausgestrecken Daumen (und einem selbstgemalten Schild "ANYWHERE SOUTH") am Strassenrand zu stehen. So geschieht es dann auch, dass man einen Frank kennen lernt, der ausser einer Kettensaege nichts im Kofferaum hat und mich nur mitnimmt, weil ich ihm vielleicht sagen kann, welche Kleidung man im Dezember in Russland traegt, da er fuer Weihnachten das erste Mal in seinem Leben sein Land verlaesst, um eine Internetbekanntschaft in Sibirien zu besuchen. Wiedereinmal fuehle ich mich bestaetigt, dass es beim Reisen grundsaetzlich um die Menschen geht, die man trifft, und sonst nie treffen wuerde. Die Naechte verbringe ich in einem Zelt, das mir von Schweizer Nachhausereisenden geschenkt wurde und in Caravanparks, die sich in ein trinkendes Partyvolk und eine mangopflueckende Subkultur aufteilen. Ich fuehle mich wohl, blaettere am naechtlichen Strand mit Fendrich im Ohr mein Handytelefonbuch durch und stelle mir vor, was jeder einzelne von euch im Augenblick wohl gerade so treibt. Nun gehe ich fuer 48 Stunden auf hohe See, und freue mich schon jetzt wieder auf den Moment, wenn ich meinen Daumen ausstrecken kann, der in meinen Augen mehr als alles andere die Offenheit und Freude auf ein neues Abenteuer repraesentiert.
m

Montag, 30. Oktober 2006

Uluru, in den Schatten gestellt.

Es war von Anfang an klar, dass ich nicht nach Australien komme, um den Ayers Rock zu sehen, sondern den Ayers Rock sehen werde, weil ich schon mal nach Australien komme.
Noch zig Kilometer entfernt erkennt man am Horizont schon dieses grosse, rote Ding, das als perfektes Individuum alles andere in seiner Umgebung, woertlich und physisch, uebertrifft. Drei Duzend Busse reihen sich in der streng eingezaeunten Sunset Viewing Area nebeneinander auf, Japanische Touristen werden per Rollstuhl Shuttle Service zu weiss gedeckten Tischen gebracht. Nur die Sonne entzieht sich dem Spektakel und versteckt sich hinter einer dicken Wolkendecke. Trotz fehlendem Antagonisten laesst sich Team Japan die Laune nicht verderben. Die Brut Royale ploppt, Gurken Dips und Kaesecracker regieren die Welt. Und dann eine unerwartete Wendung. Wenige Grade ueber dem Horizont laesst sie sich dann doch noch durch einen hauchduennen Spalt blicken und faerbt den grossen Stein innerhalb eines Sekundenbruchteils von grau-braeunlich-g'spieben in ein majestaetisch purpurnes Rot. Der Champagner laeuft ueber die weit aufgerissenen Lippen zurueck ins Glas und instinktiv greift die japanische Touristenarmee zum Kodak Atelier. Zu spaet. Ein weiteres Mal verdirbt die Sonne ein Foto, fuer das wir alle 20000 Kilometer geflogen sind, doch bevor man das realisiert, sind die Klapptische und Gurkendips schon sicher fuer den naechsten Abend verstaut und alle Schafe werden im Wettlauf um die Poleposition beim All You Can Eat Gourmet Dinner Buffet mit pinken Schirmchen zurueck in den Stall getrieben. Was fuer ein wunderbarer Abend. Knapp zehn Stunden spaeter kehrt man zum analogen (-)Aufgangsspektakel zurueck, klettert gegen den Willen der traditionellen Besitzer auf den Berg, stoepselt sich Musik ins Ohr und denkt an Dinge, die man nicht aufschreiben kann.
Die Aborigines glauben, dass die Welt in ihren Anfaengen ein flaches Land ohne Eigenschaften war und in ihrer Schoenheit und Einzigartigkeit erst von maechtigen Vorfahren auf ihren Reisen durch das neue Land gestaltet wurde. Dieser Gedanke gefaellt mir, und ueberhaupt empfinde ich, dass viele ihrer Geschichten, die die Dinge erklaeren, wie sie sind, wesentlich origineller und kreativer erscheinen, als wissenschaftliche Thesen. Ebenso beeindruckend ist, dass sie keinerlei Beduerfnis haben, ihren Glauben zu verbreiten, mit anderen zu messen oder ihn gar als einzig wahren irgendjemandem aufzuzwingen versuchen. Die "wahren" Geschichten rund um Uluru, Kata Tjuta und co bleiben jedem Australier und Auslaender verborgen, da wir alle als Kinder und nicht Teil ihrer reifen Gesellschaft betrachtet werden. Deshalb faellt es mir schwer, einen grossen, rostigen Stein als "Herz" und "wahre Seele" Australiens zu betrachten, wie es einem das einheimische Touristenbuero vorschreibt.
Nichtsdestotrotz bleibt das Red Center ein beeindruckendes Schauspiel fuer Augen und Oberschenkel und ich habe es nicht bereut, hierher zu kommen. Fuer einen Moment fuehlte ich mich zurueckgesetzt in das Konsumparadies Thailand, als ich fuer nicht mal 18 Euro in einem Helikopter ueber rote Schluchten flog. Fast wie auf einer Liste kann ich bald die Top Ten der Naturhighlights unseres Planeten abhaken, wenn ich morgen ans Great Barrier Reef fliege. Es geht zurueck in die Zivilisation, Verkehrsampeln statt Spinnifex und Skyline statt Bushland.
Wenig beeindruckt, aber beeindruckend bestaetigt.
m

Mittwoch, 25. Oktober 2006

Thorny Devil, Redback Spider & Inland Taipan

oder
auf der vergeblichen Suche nach einer wuerdigen Narbe

Wiedereinmal habe ich mich in den letzten Tagen ein paar Schritte und Kilometer weiter von Wien, zuhause, und all dem, was ich vor 90 Tagen noch "Alltag" nannte entfernt. Picasso malt gerade gegen die Zeit und ich versuche mich darauf einzustellen, dass das Leben hier länger dauert. Danke Anja.
Perth. Vieles an dieser Stadt erinnert mich an Vancouver vor vier Jahren. Die Menschen, die Lage, die Strassen, das Klima, die Gebaeude; einfach das Gefuehl, hier zu sein, mich hier aufzuhalten. Perth ist eine wunderbare Stadt... nicht nur modern, sondern vielmehr "neu", sauber, freundlich, hell, an der Kueste gelegen und trotzdem der Wueste nahe; gross genug, um alles moegliche und wuenschenswerte zu bieten, und doch uebersichtlich, ueberschaubar.
Die letzten drei Wochen stellten zu meinen ueblichen Reisegewohnheiten, wenn ich sie nach drei Monaten ueberhaupt schon als solche bezeichnen kann, einen gewissen Kontrast dar. Reist man alleine, also nur im Sinne von gelegentlich gemeinsam, nimmt man all das, was man sieht und erlebt, viel bewusster und fuer sich selbst wahr. Als Teil einer Gruppe, als Teil einer geplanten Tour, wird das Reisen viel mehr zum realen Fernsehen. Man laesst sich berieseln, man laesst sich erleben lassen. Man wird passiv, auch wenn man aktiver tut, was man als aktiver nur passiv erleben kann. Klingt komisch, ist aber so. Es geht nicht mehr darum, seinen eigenen Weg, seine eigene Route, seine eigene Reise zu finden, sondern vielmehr darum, alles zu sehen, was in einer gewissen Zeit an einem gewissen Ort moeglich ist. Vorgestern habe ich einen Monatskalender mit Bildern der Westkueste Australiens durchgeblaettert, und bis auf Maerz, Juni und September hab ich nun alles selbst gesehen, in echt quasi, und ein oder hundert Fotos davon gemacht. Und trotzdem faellt es mir schwer, mich an die Namen der einzelnen Schluchten zu erinnern, in denen ich geklettert, geschwommen und gestolpert bin, oder in der Nacht mit den Ohren unter Wasser die hellsten Sternschnuppen beobachtet habe, um den Rest der Gruppe zu ignorieren. Und trotzdem hat das ganze auch Vorteile... wie gesagt, die Effektivitaet einen Ort in begrenzter Zeit bis in den letzten Winkel (und Outback Australien hat viele Winkel) zu erkunden uebertrifft sogar Malaysien, und nicht zuletzt lernt man Menschen, Freunde, mit denen man 6000 Kilometer in einem Bus sitzt, oft besser kennen als solche, mit denen man acht Jahre ein Klassenzimmer teilt. Den Westen Australiens auf diese Weise zu bereisen war sicher eine gute Entscheidung, habe ich doch zumindest zwei Menschen getroffen, von denen ich es bereuen werde, sie womoeglich nie wieder zu sehen, und in Schluchten geschwommen, Bushcamps geschlafen und meine Reisemotto in einen Baum geritzt, die ich sonst - alleine - wahrscheinlich nie erreicht haette. Die Bedeutung dieser Reise wird mir jetzt, wo ich mich schoen langsam der Halbzeit naehere, immer mehr bewusst, und deshalb hab ich mich in den letzten Wochen auf die Suche nach einem wuerdigen Andenken gemacht. Die symbolische Bedeutung, der mythologische Hintergrund und die Aesthetik in der Erscheinung und Bewegung von Schlangen hat mich immer schon fasziniert, und was wuerde sich als sichtbar gemachte Erinnerung besser eignen als zwei wizige rote Narben. Man mag vielleicht denken, dass man in Australien an nichts leichter gelangen koennte als einen Schlangenbiss, doch ganz so einfach ist das nicht, stellt sich doch jede vermeintliche Sichtung als just another bloody Gecko heraus. Und sollte es sich dann doch einmal um eine harmlose Blindschleiche handeln, hat sie sich schneller verzogen als man selbst seine Kamera. Mit der reichlichen Auswahl an der Australischen Tierpalette hab ich mich dann quasi auch durch das gesamte Programm durchprobiert, doch alles war vergeblich. Eine Redback Spider im Makromodus fotografiert, als Stalker einen zwei Meter Riffhai eine halbe Stunde lang verfolgt, sich ins Licht eines sich sonnenden Thorny Devils gestellt und von Poison Risk Areas und Cliff Risk Areas ueber Hot Water Risk Areas bis Loose Rocks Risk Areas (Bush seems to be one big Risk) alles durchwandert. Nichts. Die einzigen Narben, wenn man sie als solche zaehlt, sind blaue Augen, die man sich selbst zufuegt bei deim Versuch, sich laestige Fliegen aus dem Gesicht zu schlagen.
Um die Ereignisse der letzten Tage zusammenzufassen ist weder Zeit noch Speicherplatz, auf jeden Fall weiss ich jetzt, dass das Wort "Schlucht" mehrere Bedeutungen haben kann und die Great Sandy Desert gar nicht so sandy ist. Aber dafuer sehr great. Tauchen war ich auch wieder, und Schnorcheln (kenne die Stalking Gesetze in Australien nicht, auch Schildkroeten eignen sich perfekt dazu). Irgendwie ist es traurig zu sehen, wie absehbar das Ende dieser wunderbaren Riffe ist. Touristen kommen in Bussen, stranden wie tollpatschige Walhaie im seichten Wasser, beschweren sich beim "verantwortungslosen" Tourguide ueber zerschnittene Oberschenkel und sind sich gar nicht bewusst, was sie mit ihren amerikanischen Hueften eigentlich niedergerissen haben.
Australien scheint mir nach wie vor ein Land zu sein, in dem ich laenger bleiben koennte, auch wenn mir der Dienstag und Mittwoch Special Discount fuer Pensionisten in Liquor Stores reichlich unfair erscheint. Dass es keinen Kinder- oder Jugendrabatt gibt seh ich ja noch ein, aber zumindest Studenten oder Backpacker sollten ihre eigenen reduzierten Tage haben. Nach daheim sehne ich mich im Moment noch nicht, immerhin befinde ich mich auch noch am Weg weg ans andere Ende der Welt und der Begriff "Heimweh" kommt mir - so wie "Eifersucht", "Liebe" oder andere Gefuehle - ueberhaupt ueberbewertet vor. Fuer mich ist die Essenz des Reisens das Gefuehl, jeden Moment euphorisch und aufgeregt auszukosten, die Zeit zu dehnen, geniessen und zu nutzen, bis man irgendwann gegen Ende dieser begrenzten Zeitspanne ohnehin den Eindruck bekommt, nicht fuer immer hier bleiben zu wollen und froh ist - ein wenig groesser - zu dem zurueckzukehren, was man als sein Leben bezeichnet.
Bis morgen werde ich noch reichlich Stickstoff vom Tauchen abbauen um sicher nach Alice Springs fliegen zu koennen, von wo ich drei Tage lang - wieder und zum letzten Mal - in einer Gruppe ein paar Fotos vom Ayers Rock machen werde, bis ich an der Westkueste endlich wieder meinen eigenen Weg finde.
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Freitag, 13. Oktober 2006

Ueber das Nichts, wo doch was ist...

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Outback... Was erwartet man sich? Ewig lange, rote Sandstrassen. Steppe, Wueste, Pampa. Hier und da ein Kaenguruh, wilde Pferde, Kuehe, Eidechsen, Schlangen, Krokodile, Spinnen. Schluchten, Bushcamps und alle paar hundert Kilometer ein heruntergekommenes Roadhouse, wo man fuer 2.50 Dollar duschen kann. Kuehle Naechte im Canvas Schlafsack unter freiem Himmel, Tageswanderungen bei 45 Grad im Schatten; oder in der Sonne, bei Temperaturen, die das Thermometer nicht anzuzeigen wagt. Rote Sandsteinformationen, die sich im Sonnenuntergang noch kraeftiger verfaerben und regelrecht fordern, hundertfach fotografiert zu werden. Baeume, die nach einer Aborigine Legende in die falsche Richtung wachsen und ihre Wurzeln ueber der Erde tragen. Eine kleine Reisegruppe von 20 mehr oder weniger jungen Abenteurern, die in einem Isuzu 4WD Truck ueber Offroad Strecken von Nationalpark zu Nationalpark fahren. Ein Australischer Tourguide, der mit Lagerfeuerkohlen im Gusseisentopf Chocolate Fudge Geburtstagstorten herzaubert.
Und all das bekommt man auch, mal abgesehen von den Schlangen, denen es sogar im Schatten zu heiss ist.

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Gestern Abend bin ich in Broome angekommen, der ersten kleineren Stadt nach gut 2000 Kilometern im Bush. Wieder Duschen, wieder Betten, wieder Bars, wieder Menschen. Und trotzdem fragt man sich nach einer Woche wie der letzten, ob man das alles ueberhaupt braucht. Wenn ich waehlen muesste, wuerde ich mich eher fuer den 12 Meter Sprung vom Wasserfall entscheiden als fuer eine rostende Metall Dusch Kabine in einem Backpacker Schuppen. Die letzten Tage waren wieder einmal grossartig, und so extrem verschieden zu all dem, was ich sonst bis jetzt erlebt habe. Gemeinsam mit der U30 (Europa) Auswahl von Schweizer Bergbauerinnen und Kreuzfahrtschiffrezeptionistinnen, Hollaendischen Alleinunterhaltern, Englischen Anwaeltinnen, Irischen Finanzgurus, Australischen Volksschullehrerinnen und dem einen oder anderen Studenten arbeiteten wir uns von Darwin ueber Katherina und Kununurra nach Western Australia in die Kimberleys vor, ueber die Bungle Bungles und die Gibb River Road in etliche Schluchten und schlussendlich ueber Derby nach Broome. Uebermorgen gehts weiter in die Grosse Sandige Wueste, eine grosse, sandige Wueste, wie ich mir sagen hab lassen. Australien ist wunderbar, und ich freue mich, noch eine Zeit lang hier zu sein.

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Man freut sich jeden Tag wieder, noch vor der Sonne aufzustehen um die Zeit zu nutzen, in der es hell, aber nicht heiss ist. Mit einer festen Gruppe unterwegs zu sein ist auch einmal eine schoene Abwechslung, ist es doch sonst beim Reisen so, dass man zwar unendlich viele Leute trifft und unglaublich schnell Freunde gewinnt, sie aber dann mindestens so schnell auch wieder verliert. Bei einem Grossteil stoert es nicht, ihn wahrscheinlich nie wieder zu sehen, aber dann gibt es doch immer wieder den einen oder anderen Menschen, den man gerne besser kennen lernen wuerde. Jemanden, der einen interessiert. Jemanden von einer Art, wie man ihn unterbewusst schon lange gesucht hat. Wenn man soviele Leute trifft und sich unterhaelt, egal ob fuer eine Woche, einen Tag, ein paar Stunden oder nur wenige Minuten, wird einem erst wirklich bewusst, wieviele verschiedene Menschen, Persoenlichkeiten und Geschichten es eigentlich gibt. Man wird aus seinem Microkosmos mit ein paar hundert Bekannten und einigen Freunden herausgerissen und es wird einem klar, wieviele Menschen man eigentlich nicht kennt, ist man sich doch sonst immer nur ueber die bewusst, die man kennt. Einmal Blut geleckt, will man mehr. Man will sie alle kennnen lernen, man will sie alle kennen. Unmoeglich, ja, aber wie beim Sammeln von Briefmarken oder alten Reclamheften wird das ganze zum Hobby, und auch wenn man zunaechst zig Antiquariate durchstoebern muss und schon die hundertste Version vom Nathan ueberblaettert, der wie immer die halbe Kartonkiste belagert und aufgrund seiner Haeufigkeit jede Besonderheit (als Reclamheft) verloren hat, findet man irgendwo, irgendwann ein Stueck, dass man noch nicht hat, noch nicht kennt, aber unterbewusst schon lange sucht. Und irgendwie wusste man im Nachhinein, dass man es hier finden wuerde.

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Henry David Thoreau

I went to the woods because I wished to live deliberately, to front only the essential facts of life, and see if I could not learn what it had to teach, and not, when I came to die, discover that I had not lived.

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22. Februar!


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Zuletzt aktualisiert: 12. Dez, 15:54

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