Donnerstag, 14. Dezember 2006

Roadtrip Teil 2. Und Teil 3.

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Teil 2.
oder
Exchange Program

Es faellt mir schwer, nach den letzten Monaten zu lange an ein und dem selben Ort zu bleiben. Drei Naechte, und nicht eine REM Phase laenger, ist das in Ordnung, dann zieht es mich weg, weiter, irgendwohin. Wenn Gaeste kommen fuehlt man sich als Gastgeber dazu gezwungen, sein eigenes Land zu repraesentieren. Etwas herzuzeigen. Ich kenne das, und das ist gut so. Ich revanchiere mich, in dem ich auch etwas herzeige, etwas austausche, etwas erzaehle, mich einbringe. Es versuche. Wellington liegt im Sueden der Nordinsel, noerdlich davon liegt eine Landschaft gepraegt von Vulkanen, waermer als der kalte Sueden. Keine Pinguine, keine Seeloewen. Dafuer Schlammpools und Gluehwuermchen. Ich werde an Orte gebracht, an denen Clare und Nicola, die Toechter der Familie Armstrong, schon etliche Male waren, alles kennen. Und doch finden wir Stellen, die auch fuer sie neu sind, Erfahrungen, dich ich schon, aber sie noch nicht erfahren haben. Gemaess einer Familientradition essen wir am ersten Abend Pizza und baden unsere Fuesse in heissen Quellen. Am naechsten morgen springen wir aus einem Flugzeug und betrachten den riesigen Lake Taupo vom Zentrum des Ozonlochs, oder irgendwo nahe davon. Alles andere als eine Familientradition.
In Rotorua lasse ich mich das erste Mal in den letzten vier Monaten zu einer gefuehrten Tour durch Thermalquellen und kochende Schlammpools ueberreden. Das unertraegliche Organ der Reiseleiterin gekoppelt mit dem suesslichen Duft faulender Eier laesst meine Heuschnupfenneurothermitis zu vermeintlichen Krebsgeschwueren anschwillen. Das Aneinanderreiben schwitzender Oberarme einer Menge, die sich wie eine Masse zum gleichen Zeitpunkt durch die gleiche winzige Tuere quetscht um eine traditionelle Maori Performance zu sehen, die von eine Frau geleitet wird, die einen Federumhang und Nike-Sandalen traegt. Eie Geraeuschkulisse von Vulkanrundflughelikoptern, Baustellenlastwaegen, die mehr Schotter fuer das neue Visitorcenter herbeibringen, und Japanern, die gackern, lachen und sich gegenseitig am Telefon anschreien. In meinem Land, wenn ich eines haette, gaebe es eine Aufnahmepruefung fuer Touristen, eine Verpflichtung fuer ein gewisses Basiswissen ueber Kultur, Geschichte und Verhaltensregeln in einem fremden Land, das den nicht vorhandenen "Common Sense" ersetzen soll, den eigentlich ein Dreijaehriger aufzubringen faehig sein sollte. Wie der enttaeuschend bewundernswerte Geysir bricht meine Haut auf, ich blute ploetzlich an vier verschiedenen Stellen meines Koerpers und weiss nicht warum, weiss nicht seit wann. Spuere nichts, ausser eine gewisse Abscheu gegenueber diesem Ort. Jetzt weiss ich wieder, warum ich alleine reise und solche Einrichtungen, die in Neuseeland scheinbar alle irgendwann einmal einen Tourist Award gewonnen haben, meide. Trotzdem fuehle ich mich wohl in diesem Land, gewinne am naechsten Morgen einen Cerealienwettessbewerb und werde mit einem Wheet-bix T-Shirt belohnt, mit dem ich kurz darauf ein einem grossen Gummiball gemaess der Proportionsstudie von DaVinci durchgewaschen werde. Zorbing, schon wieder so eine Neuseelaender Erfindung, an der man als Gast einfach nicht vorbeikommt und folglich fuer sicherlich einmalige, mehr oder weniger haarstraeubende Aktivitaeten mehr Geld liegen laesst als man in Laos irgendmoeglich in einer Woche ausgeben kann. Das Prinzip und der Gedanke ist einfach, eine doppelte Luftburg, gewuellt mit etlichen Litern Wasser und mir selbst, rollt unaufhaltbaer einen Berg hinunter. Aber bei den Massen an Geld, die die Leute hier fuer uebertrieben kitschige und letztendlich nur irgendwo herumstehende Weihnachtsgeschenke ausgeben, oder man selbst irgendwann einmal fuer Geraete, die nur nochmehr dazu motivieren in seinen eigenen vier Waenden zu bleiben, scheinen mir Investitionen wie diese schon wieder nachvollziehbar, die ganze Reise ein Schnaeppchen mit einem Preis-Leistungsverhaeltnis, das sogar meinen Toyota Corolla uebertrifft. Ich denke zwar ueber jeden Dollar nach, den ich ausgebe, bereue es dann aber nicht. Bereue bis jetzt gar nichts. Schlussendlich werde ich irgendwo 600 Kilometer noerdlich von Zuhause zurueckgelassen, weil ich das so will. Wieder alleine, Clare und Nicky muessen zur Arbeit. Es waren vier wunderbare Tage mit zwei ganz netten Menschen.

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Teil 3.
oder
Ein Vulkan fuer mich alleine

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Ich sitze am Strassenrand, esse Vanilleeis mit frischen Beeren und fahre mein in den letzten Tagen vernachlaessigtes "Viereinhalb Monate Unterwegs in fremden Laendern" Unabhaengigkeitssystem hoch. Jetzt ist sie wieder da, die Freiheit sich nicht sorgen zu muessen, ob die eigenen Plaene fuer andere konform sind, keine Kompromisse einzugehen. Ich gehe wieder in meinem Tempo und vermeide gleichgueltiges Schulterzucken. Betrete den aktivsten Vulkan dieses Landes, den man nur per Boot erreicht, da er irgendwo mitten im Ozean liegt. Delfine links, Wale rechts, ein rauchender Berg vorne und das Festland hinter mir. Ich sitze am Burg, geniesse das rauf und runter und vermeide die den Horizont fixierenden Anderen, denen das Unwohlsein ins Gesicht geschrieben steht. Wieder zurueck befolge ich die erste Regel des Autostoppens, immer schoen laut und deutlich darueber zu reden, wo man hinwill, und plant, das per Autostopp zu tun. Die erste Mitfahrgelegenheit ergibt sich, bevor ich ueberhaupt auf der Strasse stehe. Den folgenden Tag verbringe ich mit drei Chiropraktikern in einem Auto, wieder bin ich ueberwaeltigt, wie viele Menschen man trifft und wie freundlich die meisten davon sind. Noch am selben Abend finde ich mich in einem weiteren Nationalpark, wandere bei Lichtverhaeltnissen, die die Landschaft nur noch unwirklicher erscheinen lassen und uebernachte in einer Huette. Verlasse diese um drei in der Frueh um nach dubiosem balinesischen Vorbild einen Vulkan zum Sonnenaufgang zu besteigen. Nebenbei angemerkt Mt. Doom, den Schicksalsberg aus Herr der Ringe, im Zentrum Mordors, oder anders bekannt als Mt. Ngauruhoe im Tongariro National Park. Drei Schritte bergauf ergeben nach zurueckrutschen des Geroells ueberschlagsmaessig einen Hobbitschritt, und doch komme ich irgendwann da oben an. Wieder bin ich sprachlos, weiss nicht, was ich sagen soll, weiss nicht, was ich denken soll, lasse das ganze einfach wirken und versuche verzweifelt, den Moment in Bilder zu fassen. Beim Abstieg sehe ich in der Ferne die ersten Anderen, die frisch und ausgeschlafen das Tongariro Crossing beginnen, das auch mir noch bevorsteht. Ich weiss nicht warum, aber immer ist irgendwie dieser Drang da, es anders zu machen als die Anderen. Das bewaehrte Strandardprogramm zu verfolgen, aber eine Ableitung davon neu zu erschaffen. Die gleiche Melodie zu spielen, aber eine Variation. Aus dem selben Flugzeug zu springen, aber zwei Saltos zu schlagen und sich erst dann der stabilen Freifalllage zu ueberlassen. Wie viele Menschen vor oder nach mir schon auf diesem Berg waren spielt keine Rolle. Aber in diesem Moment, zum ersten Licht dieses Tages war ich der einzige, und darueber bin ich froh. Die sechs folgenden Stunden fuehren vorbei an weiteren Kratern, blaugruenen Seen und heissen Quellen. Mit sieben verschiedenen anderen Menschen und Autos kehre ich noch am selben Abend zurueck nach Wellington, gerade rechtzeitig um vorweihnachtlich Weihnachten zu feiern, mit anderen Verwandten, die ich nicht kenne. Wo auch immer ich bin und was auch immer ich tue, immer wieder wird mir bewusst, dass es um die Menschen geht, die man auf so einer Reise trifft. Die man findet und sich mit ihnen zurecht findet.

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Henry David Thoreau

I went to the woods because I wished to live deliberately, to front only the essential facts of life, and see if I could not learn what it had to teach, and not, when I came to die, discover that I had not lived.

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22. Februar!


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Online seit 6898 Tagen
Zuletzt aktualisiert: 12. Dez, 15:54

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