Dienstag, 16. Januar 2007

Von Stars and the Strip...

Das eigenartigste an L.A. sind all die Busse, die durch diese zugegeben riesige Stadt fahren und in Verkehrsodysseen Orte erreichen, die man nicht kennt, aber irgendwo schon einmal gehoert hat. Melrose, Montana, Gilmore, neben dem ueblichen Beverley, Hollywood oder Santa Monica. Und jetzt, jetzt war ich auch endlich einmal dort, und erstmals auf dieser Reise gings im Grunde nur darum. Dort gewesen zu sein. Ein Foto mit dem HOLLYWOOD Zeichen, der Versuch meine auseinanderfallenden Schuhe in die klein erscheinenden Abdruecke des Terminators zu quetschen, Sean Connery, wie er aus seinem Haus kommt und sich den Hut weit ins Gesicht zieht um vor den im Halteverbot haltenden "Movie Stars' Homes Tours" Bussen zu fliehen, ein Sonnenuntergang von der Veranda der Baywatch Huette, das niederlassen in einem dunkelroten Samtsitz des Kodak Theatres neben einem lebensgrossen Schwarz-Weiss Bild von George Clooney auf Karton, King Kong und der weisse Hai in den Universal Studios. Hier leben sie also, hier schmeisst Paris Hilton ihre Party, hier passiert dies, dort passiert das, und ich bin hier, eben dort, und lasse mir einreden, mich im Zentrum der Welt zu befinden. Who's the guy in the Ferrari over there? Which Ferrari, the one on the left or the one on the right? No, actually I meant that Ferrari over there! Oh, that's no one, but look at the guy in the Bentley over here. Nach zwei Tagen hat man genug, genug von rosa Sternen, genug von Ham-, Chicken- und Cheeseburgern, und doch nicht genug von der Atmosphaere, dass sich hier alle wichtiger nehmen, als sie sind, inklusive der Touristen, die so wie ich von dem, was sie sehen, auf den Boden der Normalitaet und Realitaet zurueckgeholt werden. Wie beim Fast Food fuehlt man sich satt und ueberfuellt von dem, was man sieht, und trotzdem kann man nicht aufhoeren, nicht genugbekommen. Schaut nachwievor durch jede verdunkelte Scheibe, geht nachwievor zur Polizeiabsperrung vor dem roten Teppich der Golden Globes, erkennt zwar wieder nur hochtoupierte Frisuren, die sich schnell und professionell in die warmen Innereien des Beverly Hilton verziehen, fuehlt sich aber wohl dabei, von der Polizei immer wieder als "nicht wichtig genug", "nicht beruehmt genug", nicht relevant ab- und zurueckgewiesen zu werden. Vor vier Monaten stand ich im Zentrum von Phnom Phen, als sich zwei Mopedfahrer darum schlugen, wer mich fuer fuenfzig Cent zu meinem Hostel zurueckbringt. Wenn ich das sehe, was ich hier sehe, komme ich mir schlechter vor als damals, und doch ist da nachwievor dieses eigenartig positive, fast gute Gefuehl, hier zu sein, hier zu stehen, hierbleiben zu wollen. In der Nacht wandelt sich das Bild der Stadt, wankende Gestalten erscheinen wie Vampire an jeder Ecke, und endlich ist es weg, das Gefuehl. Die Stadt der Engel wird zu einer normalen Grossstadt, einer grossen und dunklen und kalten. Wieder ist da so ein Loch zwischen dem, was ich in diesem Moment tue und dem, was ich in einem andern Land vor wenigen Tagen tat. Man lebt nur im Jetzt, denkt kaum an gestern und maximal an den naechsten Tag. Die zwei Tage, in denen ich auf den Fijis den Herr der Fliegen verschlungen habe wirken genauso lange vergangen wie das Mal vor fuenf Jahren, sodass ich mich kaum noch darann erinnern kann. Am Telefon sagt man mir eine Adresse, die ich viermal laut vor mich hin wiederhole und ploetzlich vergessen habe. Aber darauf, wo es mir ankommt ist, dass ich den Ort trotzdem finde, unterbewusst dorthin gehe, ohne zu wissen, warum gerade in diese Richtung. Ploetzlich stehe ich vor einem Haus, dass mir richtig erscheint, warum, weiss ich nicht, aber trotzdem richtig. Ich schaue auf die Hausnummer, 2260, das wars, ploetzlich ist es wieder da. Alles, was ich auf diesem Weg hoere, sehe, lese, lerne spielt irgendeine Rolle, und auch, wenn ich nicht weiss welche, oder warum es passiert, oder was eigentlich passiert, bin ich mir doch sicher, dass ich mich irgendwann daran erinnern kann und mich dann darin bestaetigt fuehle, dass es richtig war. Im vom mcDonaldsGeruchgepraegten Bus fahre ich sechs Stunden durch die Wueste und finde mich ploetzlich auf einer Strasse, die man Strip nennt, und bewundere zu Elton John's "Your Song" die Springbrunnen vom Bellagio. Die Leuchtstreifen vom Flamingo zeigen minus drei Grad Celsius in Fahrenheit an, direkt neben den Sportergebnissen und der Schlagzeile, dass Saddams Bruder gehaengt wurde. Den ganzen Tag denke ich darueber nach, wie ich es anstellen werde. Auf einen unbewussten Impuls hin setze ich mich ploetzlich an einen Tisch, es fuehlt sich richtig an, obwohl ich Black Jack nicht mag. Schon taucht aus dem Nichts ein Mann im Anzug auf und fragt nach meiner ID. In Gedanken geprobt ziehe ich meinen Reisepass aus der Hosentasche, ohne ihm in die Augen zu sehen. Er schlaegt ihn auf, ich stelle mir vor, wie er in diesem Moment 2007 minus 21 rechnet. Ohne ein weiteres Wort reicht er mir meinen Pass wieder und verschwindet zurueck ins Nichts. Der Bluff funktioniert, ich sollte Poker spielen, denk ich mir, dass Faktum, dass ich erst in zweieinhalb Wochen 21 werde spielt keine Rolle, geht unter in der Schwierigkeit der Rechnung. Oder im vorgetaeuschten Selbstbewusstsein. Da sitz ich nun, am Black Jack Tisch, und frage mich, was ich eigentlich hier will. Fuenf Dollar Einsatz! Fuenf Dollar! Das sind zwei Naechte, drei Mahlzeiten und ein Fahrrad fuer einen Tag in Laos. Im Grunde gings doch nur um die Herausforderung, mich hinzusetzen, wo ich nicht sollte. Gut, ein Spiel, jetzt, wo ich schon da bin. 19, nahe genug an 21 um mich ueber einen Triumph zu freuen. Fuenf Dollar! Mein Abendgewinn, ich sollte aussteigen und feiern gehen, aber schon ist es da, das Ein-Spiel-noch. Koenig. Vier. Karte! Junge. Drueber. Instinktiv stehe ich auf, lass mir von meinen Australischen Kumpanen die fuenf Dollar zurueckwechseln um die Rechenfaehigkeit der Sicherheitsbeamten nicht nocheinmal auf die Probe zu stellen, verlasse die Spielhalle, verlasse das ganze Hotel, weit weit weg will ich, schau mir lieber wieder die Springbrunnen vom Bellagio an. Wenn ich jemals hierher zurueckkomme, dann, um Leute zu beobachten, nicht um zu spielen. Las Vegas, wieder so etwas, das man gesehen haben muss, um es zu glauben, um es zu verstehen. Und wie gesagt, deshalb bin ich ja auch hierhergekommen. Nun bin ich in einer Stadt, die anders ist, zumindest vom ersten Eindruck her. Ich mache mich auf die Suche nach einer Blume, die ich in den Haaren tragen kann und geniesse die wenige Zeit, die noch bleibt.

Henry David Thoreau

I went to the woods because I wished to live deliberately, to front only the essential facts of life, and see if I could not learn what it had to teach, and not, when I came to die, discover that I had not lived.

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Zuletzt aktualisiert: 12. Dez, 15:54

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