Donnerstag, 15. Februar 2007

Über Airbags, Cheesecakes und Auslaufen...

Während der gesamten Zeit des unterwegs Seins versucht man, das was man denkt und erlebt in Worte und Bilder zu fassen, zu reflexieren, umzuwandeln und zu konservieren. In der Schule wird man gelehrt, am Ende einer Arbeit und oder Auseinandersetzung mit einem Thema zu einem Schluss, einer Einsicht, einer Zusammenfassung zu kommen, den Grundgedanken nocheinmal wiederzugeben. Dazu war New York geplant, als Airbag, das den Aufprall auf das Heimkommen abschwaecht. Als Zeitraum, der mir in ungewohnter Umgebung aber mit gewohnten Umgebenden den Weg zurück in die Fugen vorschlägt. Ich treffe hier auf vier fünftel meiner Familie, sehe, dass alles beim alten ist und sich doch etwas verändert hat, schreibe wieder auf der vertrauten Tastatur meines Laptops und komme mir vor, wie wenn ich noch nie ein ä oder ü gesehen habe, melde mich für ein Seminar an, dass ich in zwei Wochen wieder besuchen soll. "Aaaaaaaaaaaaaaaaaaah" war in der letzten Woche ein fester Bestandteil meines Wortschatzes, die Vorstellung, in vier Tagen in ein Land einzureisen ohne einen Stempel dafür zu bekommen, scheint mir absurd. New York sollte auch eine Art Reakklimatisierung an Vertrautheit sein, und abgesehen vom Klima (Minus Grade, Schneechaos, Schnupfen und literweise Tee) ist das auch der Fall. Ich erkenne das, was einmal Alltag war, und sehe die Verschwommenheit klarer werden, fast wie ein Bild im Guggenheim Museum, das erst Sinn ergibt, wenn man es beim Hinuntergehen der Spirale nach einer Ablenkung durch einhundert andere Bilder zum zweiten Mal betrachtet. Warum kam ich nach New York? Die erste Antwort wird in Zukunft lauten "Cheesecakes", die ehrlichere ist allerdings, "Weil es am Weg liegt". Wieder entdecke ich eine Stadt, die schon im ersten Eindruck vermittelt, dass ich nur hier bin um eine Vorschau auf das zu bekommen, was mich erwartet, wenn ich einmal hierher zurückkomme um zu reisen, arbeiten oder leben, und früher oder später muss das jeder einmal in New York. Die Zeit verbringe ich zu jeweils einem Drittel damit, a. herumzulaufen und zu erkunden, b. Theater, Oper oder Musical anzusehen und c. herauszufinden und zu planen, welche Stücke, Opern und Musicals es spielt, auszuwählen, welche ich sehen kann und will, und schlussendlich einen Weg zu finden, auch wirklich rechtzeitig ein bezahlbares Ticket dafür zu bekommen. Egal ob am Broadway, wo die Augen blutunterlaufen sind von all dem Scheinwerferlicht und die aufgesetzt künstlichen Grinser sich bis zu den Ohrläppchen hinauf ziehen, oder in der Met, wo der Dirigent fuer die Traviata nicht einmal mehr eine Partitur braucht, in New York verfliegen die Abende schneller als der Tag, und obwohl ich in keiner einzelnen Stadt länger war als hier gehen mir die Abende aus, bevor ich wieder in Wien beginne mit dem Repertoir aufzuholen. Freiheitsstatue, Ground Zero, Empire State Building, Times Square. In keiner Stadt gibt es soviele Ikonen, soviele Assoziationen und Bilder, die man schon kennt, bevor man sie fotografiert. An diesem Ort kann man sich gar nicht fremd oder neu fühlen, jede Straßenecke hat man schon einmal in irgendeinem Film gesehen. New York ist die LED Lampe unter den Glühbirnen, auch wenn ich mir selbst nicht ganz sicher bin, was ich damit meine. Die Stadt ist anders im Prinzip, funktioniert anders als übliche Leuchtmittel, leuchtet heller, pointierter, weißer, und erfüllt doch den selben Zweck wie jede andere Stadt. Ich fühle mich jetzt schon wie daheim, und das ist ein ironischer Gedanke, wenn ich mich daran erinnere, noch gar nicht zuhause zu sein. Zu dem erwarteten Schluss, den ich zu Beginn ansprach, bin ich noch nicht gekommen. Das Gefühl, "unterwegs zu sein", habe ich am Flug von Costa Rica nach New York aufgegeben und mit der letzten Seite meines Tagebuchs in den Rucksack gepackt. Jetzt bin ich angekommen, schon da, und blicke mehr vorwärts als zurück. Das Spiel ist abgepfiffen, das erwuenschte Resultat erzielt und uebertroffen. In Gedanken ist man schon beim nächsten, aber der Körper läuft noch auf Hochtouren und nach dem Muster, auf das man ihn trainiert hat. Deshalb läuft man aus, bringt sich ganz langsam von dem Hoch hinunter, um das Ungleichgewicht zwischen Körper und Geist auszugleichen. Zum Augleich empfehlen sich/empfehle ich: Kaffee von Starbucks, die Sitze am vierten Rang in der Met, das M&M Store am Times Square und das Disney Store nicht weit davon, Central Park, trotz Schnee und Eis, Off-Broadway Krimis, das Durchsehen alter Fotos nach einer Wiedervereinigung mit meiner Festplatte, die mich des weiteren von einer Beschränktheit auf 256 MB Musikauswahl erlöst, ein Ausblick vom Rockefeller Center, eine chinesische Neujahrsfeier in Chinatown, das Guggenheim oder MoMA, ein Eishockeyspiel im Madison Square Garden, das Wiedertreffen auf seine Familie, und Cheesecakes. Jede Menge Cheesecakes...

Henry David Thoreau

I went to the woods because I wished to live deliberately, to front only the essential facts of life, and see if I could not learn what it had to teach, and not, when I came to die, discover that I had not lived.

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Zuletzt aktualisiert: 12. Dez, 15:54

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