Samstag, 27. Januar 2007

Ueber ein Ausstellungsstueck der Tourismusindustrie...

Costa Rica ist ein Ort fuer Menschen, die gerne im Regen durch den Wald spazieren gehen. Mir gefaellt es hier, so vieles erinnert an die wunderbare Umgebung in Laos, und doch ist die Atmosphaere ganz anders, die Mentalitaet der Menschen wieder eine neue. Mehr als jedes andere Land, in dem ich war, macht die Reiche Kueste den Eindruck, trotz ihrer natuerlichen Schoenheit nur fuer Menschen angelegt worden zu sein, die hierher kommen um etwas zu sehen, das sie daheim nicht sehen koennen. Dichtere Regenwaelder als die dichtesten in Malaysien, aktivere Vulkane als die aktivsten in Neuseeland, und mehr Leben in den Nationalparks als irgendwo anders auf der Welt. Ein perfektes Ausstellungsstueck fuer die neue Werbekampagne des Welttourismus in sich selbst, ein Prototyp von Natuerlichkeit, das voruebergehende Endprodukt geographisch geologischer Zusammenhaenge. Ja, nach sechs Monaten lernt man mit einem Ort umzugehen, in dem 90% der Bevoelkerung ihren Lebensunterhalt mit Tourismus verdienen, und wenn man die Ansammlung von amerikanischen Kurzurlaubern erst einmal verlassen hat, in einen Nationalpark verschwindet, sich wie ein Faultier tarnt und auf die Natur einlaesst, dann erlebt man Dinge, die selbst nach einer einhundertfuenfundachzigtaegigen Reizueberflutung noch aussergewoehnlich erscheinen. San Jose habe ich schnell verlassen, nach einer knochenaufreibenden (bei der Beinfreiheit woertlich gemeint) Busfahrt in La Fortuna angekommen, wo ein Vulkan am laufenden Band versucht, Touristen mit brennenden Steinen zu erschlagen (
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), dann per Boot weiter nach Monteverde, wo man in verschiedensten Wolkenwaeldern (klingt fuer mich irgendwie wie ein neuer Trendbegriff, hab ich naemlich noch nie gehoert, ergibt aber Sinn, wenn man erst einmal drinnen und drunter steht) festgebunden an einem Seil oder an einer Tarzanliane (
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) nach Schlangen, Froeschen und hauptsaechlich Voegeln suchen kann. Den Begriff ¨gruen¨ muss ich seit neuestem ueberdenken, da er so wie fuer die Eskimos ¨Schnee¨ einfach unzulaessig ist. Mir gehts gut, nachwievor sehr gut, und so schreibe ich mir ganz ohne Aufwand einen Ausdruck der Faszination ins Gesicht. Nach Menschen aus aller Welt bin ich nun endlich auch einmal mit einer Japanerin unterwegs, unglaublicherweise der weltweit einzigen ohne Kamera, die wurde ihr naemlich in Nicaragua gestohlen, und genau da fahre ich morgen hin. Was es wirklich heisst, in ¨Lateinamerika¨ zu sein, habe ich noch nicht ganz entdeckt. Die Menschen, das Gefuehl hier zu sein, die Umgebung... vieles ist noch einfach nur neu und zu wenig konkret, anders und unvergleichbar mit allem bekannten. Aber ich hab ja noch eine Weile in diesem Land, was mich sehr beruhigt, seitdem mein Herz irgendwie beginnt langsamer zu schlagen, da es innerlich ahnt, sich schon sehr bald wieder gewoehnlicheren Dingen zu widmen. Nicht gewoehnlichen, aber gewoehnlicheren als in letzter Zeit. Jetzt gehts wieder in den Wolken-, Nebel-, Regen- oder Wasauchimmerwald. Wenn ich diesen Ort einmal verstehe, dann kann ich mehr darueber schreiben. Das einzige, worueber ich mir im Moment aber vollkommen sicher bin ist, dass es mir hier gefaellt, dass Costa Rica in Sachen ¨Sehenswuerdigkeit¨ einen weiteren Meilenstein darstellt, ganz besonders wenn man gelernt hat, die Dinge so wahrzunehmen und zu schaetzen, wie sie sind.

Donnerstag, 25. Januar 2007

Von Umwegen und Muskelkater...

Wer sich einen Kaffee oder Theaterbesuch verdienen moechte, wenn ich wieder daheim bin, soll mir die Frage beantworten, warum man vom Schlafen am Flughafenteppichboden einen Muskelkater im Bauch und den Oberarmen bekommt. Auch wenn man sich beim Schlafsackausrollen mitten im Terminal, Verkriechen unter den Sitzbaenken und Sich-selbst-an-seine-Sachen-Festbinden zunaechst einmal fragt, warum man sich das eigentlich immer wieder selbst antut, fuehlt es sich am naechsten Morgen trotzdem gut an, wenn man die gesparten 25 Dollar in seinen Haenden betrachtet und in Gedanken schon fuer eine neue Erfahrung ausgibt. Ganz anders als beim All-You-Can-Eat Buffet zum Beispiel, bei dem die real gewordene Schlaraffenlandvorfreude nach dem dritten Teller von einer Speiseroehrenoberflaechenspannungsuebelkeit abgeloest wird. Wie auch immer.
Vancouver habe ich verlassen, und nachdem ich ganz hypothetisch in einer Tageszeitung in Frage kommende Wohnungsanzeigen rot eingekreist habe, so wie eine nicht schwangere Frau sich in der Babyabteilung nach Kinderwaegen und pinken Strampelanzuegen umsieht, bin ich schlussendlich in Seattle wieder am Flughafen gelandet, um mit drei Fluegen und zwei Zwischenstopps irgendwann spaet nachts in Costa Rica anzukommen. Fluege, die auf meinem Flugplan stehen, existieren nicht, ich werde von L.A. nach Phoenix geflogen, obwohl mein naechster Flug nach San Jose von L.A. startet. Klingt komisch, ist aber so. Endlich geht mal was schief, denke ich mir, irgendwie freu ich mich sogar darueber, obwohl es so, wie es jetzt ist, im Grunde nur besser ist, da es mir in weiterer Folge nichts tut ausser eine zusaetzliche Nacht zu sparen. Jetzt bin ich also in Arizona, von Kalifornien kommend, und fliege in einer Stunde wieder dorthin zurueck. Rundflug auf Kosten von US Airways, und ein gratis T-Shirt bekomme ich auch, ganz abgesehen von einer weiteren Nacht am Flughafen in L.A.. Aber dort hab ich ja jetzt meinen Schlafplatz, und den teile ich mir fuer eine weitere Nacht mit einem verfehlten Elvis-Imitator, einer indischen Grossfamilie und einem Australischen Privatdetektiv, mit dem ich mich in den naechsten drei Wochen auf die Suche nach Giftpfeilfroeschen begebe...

Dienstag, 23. Januar 2007

Schwarzes Loch

10. Januar

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17. Januar

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21. Januar

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Von einer Erinnerung...

Ich habe im Laufe der letzten 180 Tage immer zu mir selbst gesagt, dass es auf dieser Reise kein Highlight irgend einer Art gibt, geben kann. Keinen Hoehepunkt, kein physisches Ziel, nur einen Weg. Das denke ich nochimmer, und doch gibt es da Punkte, die ich immer nochmehr und nochmehr schaetzen moechte als mit dem ueblichen Grad von Wertschaetzung und Respekt gegenueber all den Orten, die ich besuche. Ein Fluss in Laos, eine Wolke in Kambodscha, ein Riff oder ein Wrack in Australien, ein Moment in Neuseeland. Einfach ein Befinden, ein Gefuehl, hier zu sein, das sich noch einmal von all dem abhebt, was ohnehin schon den Begriff “aussergewoehnlich” verdient. Nach einem halben Jahr unterwegs denkt man, einen Status erreicht zu haben, in dem man alle Gedanken zum Sein, hier Sein und unterwegs Sein schon einmal irgendwo gedacht hat. Eine Praxis entwickelt, ein Kontingent von Gefuehlen und Stimmungen, die entweder in die malerische Sonnenuntergangsumgebung, den Moment des kulturellen Schocks, den Akt, etwas besonderes zu tun oder jegliche andere Situation hineingesetzt, angewertet, bestaetigt und festgehalten werden koennen. Doch immernoch entdecke ich neue Ueberwaeltigungen, neue Gedankenstroeme, die mich in sich selbst treffen und aufs neue ueberraschen. In den letzten Tagen – sie erscheinen mir so kurz, dass ich im Grunde den Begriff “Stunden” verwenden sollte – habe ich wieder eine solche Ueberwaeltigung erlebt. Mit allem, was dazu gehoert, und laenger, als sie fuer gewoehnlich anhaelt. Wieder ist da etwas, das mich an diesem Ort festhaelt, mich nicht gehen lassen will, oder eher schon dazu draengt hierher zurueckzukehren, obwohl ich eigentlich noch da bin. Wie damals, wie vor fuenf Jahren. Hier, wo alles irgendwie begann. Was, weiss ich nicht, aber wahrscheinlich das, was ich glaube heute sein zu wollen, und zu sein versuche. Wenn ich ein gutes Theaterstueck, oder einen Film, sehe, dann ist nach dem ersten Vorhang schon das Beduerfnis da, das ganze nocheinmal zu sehen, zu erleben. Aus einem anderen Sitz, einer anderen Perspektive, vielleicht um eine neue Improvisation und Tagesverfassung der Schauspieler zu erkennen, vielleicht um einen einzigen Moment nocheinmal zu spueren, auch wenn man weiss, dass er in seiner Einzigartigkeit wahrscheinlich kaum wiederholbar ist. Ich dachte mir schon oft, dass es sich mit dem Reisen aehnlich verhaelt, und fuehlte oder wuenschte mir bis jetzt noch in jedem Land, dass es nicht das letze Mal ist, in meinen Reisepass diesen einen unverwechselbaren Stempel mit Aussicht auf Abenteuer und Erfahrung zu bekommen. Anwenden konnte ich dieses Gefuehl, erfuellen diesen Wunsch, jetzt allerdings noch nicht (neue Geschaeftsidee fuer Reisebueros: 720 Grad Round The World Tickets), und so blieb jedes Land bis zu diesem Wochenende eine Premiere. Und dann komme ich hierher. Hierher zurueck. Zu allererst rieche ich, was ich schon kenne, noch bevor meine Augen ueberhaupt adaptieren, was sie schon einmal aufnahmen. Langsam aber stetig kommt alles zurueck. Nach so langer Zeit, nach allem, was dazwischen lag, nach allem, was die direkten Bahnen zu dem, was ich damals erlebte und genauso enthusiastisch wie heute aufsammelte, blockierte. Aber es ist noch da, irgendwo versteckt oder einfach nur verschluesselt, denn alles, was wertvoll ist, muss irgendwie geschuetzt aufbewahrt werden. “Offensichtlich” stellt sich selten als “Wertvoll” heraus. Da bin ich, wieder, aelter, aber immer noch derselbe Mensch. Der Mensch, der ich bin, und nicht waere, wenn ich nicht zu dieser Zeit an diesem Ort dazu geworden waere. Whatever. Morgen frueh bin ich in Costa Rica, und lasse Kanada und einen oder einige sehr gute Freunde zurueck, lasse alles wieder ruhen, sich niederlassen und verstecken, mit dem Willen, sobald wie moeglich wieder hierher zurueckzukehren um es aufs neue zu entdecken. Ueber den Begriff Ursprung und seinen gedanklichen Unterton habe ich in letzter Zeit viel nachgedacht, und wenn es einen Ursprung anders als den eigentlichen Ursprung gibt, dann ist es dieser Ort und das, was ich damit verbinde.
Gedankenexhibitionist, warum schreib ich das eigentlich alles. Geplant war ein Bericht ueber San Francisco, wie ich im Cable Car hin und her fahre, ganz einfach, weil es mir gefaellt, wie ich in Alcatraz Sonnenuntergaenge hinter der Golden Gate Bridge fotografiere, wie ich am Flughafen irgendwo zwischen Starbucks und McDonalds um sechs in der Frueh meinen Rucksack naehe und mir wuensche, in der Schule textiles Werken gewaehlt zu haben, waehrend die Sicherheitsbeamten wie Marktschreier am Hamburger Fischmarkt die ganze Bevoelkerung dazu aufrufen, sich die Schuhe auszuziehen, wie ich die Couch einer San Francisco Konservatorium Studenten WG surfe, die amerikanische Gastfreundschaft wie die einer jeden anderen Nation zu schaetzen lerne, und dem Chellisten dabei zusehe, wie er auf meiner Ukulele den Walzer aus der Fledermaus vom Blatt spielt, waehrend ich zwei Wochen mit den vier Akkorden von “Can’t Help Falling in Love” kaempfe, wie ich von einem Bus in den naechsten steige, mich von der Zollbeamtin fragen lasse, ob “Salzburg” mein Familienname ist und anderen zum wiederholten Mal versichere, dass es in meinem Land keine Kaenguruhs gibt. Ueber Seattle und Vancouver haengt die dickste Wolkendecke, durch die ich jemals geflogen bin, sodass um 12.30 Uhr Mittags Weltuntergangsstimmung aufkommt. Dreiunddreisig Tage noch, Zweiunddreisig Tage noch, Einunddreisig Tage noch zaehlt mein Kopf den depressiven Countdown, und freut sich trotzdem noch so sehr auf jeden einzelnen. Nachwievor gibt es soviele Dinge die ich noch nicht erlebt, noch nicht gesehen, noch nicht gespuert habe, und mit jedem Land, dessen Grenzen ich ueberquere, fuege ich mindestens zwei andere zu der Liste derer hinzu, die mir in Planung und ganz bestimmt in der Motivation noch bevor stehen. Die Dichte, die Kompression erreicht einen neuen Grad von Enge, wird zu einer Ansammlung von Masse, die wie ein schwarzes Loch oder eine Lawine alles verschlingt, das im, oder in meinem Falle am, Weg liegt. Appropros Lawine. Vor elf Tagen war ich auf einer suedpazifischen Insel, gestern wandere ich mit Schneeschuhen bei 30 cm Neuschnee den Mt. Seymour hinauf, um ihn schlussendlich in einer kleineren Lawine wieder hinunterzu… aehm… rutschen. Einen dieser Momente, den man nicht unbedingt nocheinmal erleben moechte, aber wenn man dann von einem Wald aufgefangen zum Stillstand kommt, froh darueber ist, dass ihn ein anderer gefilmt hat. Ich dachte immer, dass es die Konservierung von Erinnerungen ist, die zaehlt und einen davor bewahrt, alles zu verlieren, wenn man auf sich selbst und die Staerke seines Gedaechtnis nicht mehr zaehlen kann. Nach den letzten Stunden in Vancouver komme ich zurueck zum Ursprung, zum Vertrauen an die Erinnerung selbst, und stelle fest, dass der Akt, sich an etwas zu erinnern, dass man vergessen glaubte, staerker, wahrer und schoener ist, als ein Foto oder Tagebucheintrag, die wunderbare Hilfsmittel, aber leider auch nur ein zweidimensionaler Abdruck des Eigentlichen, des Wesentlichen sind.

Dienstag, 16. Januar 2007

Von Stars and the Strip...

Das eigenartigste an L.A. sind all die Busse, die durch diese zugegeben riesige Stadt fahren und in Verkehrsodysseen Orte erreichen, die man nicht kennt, aber irgendwo schon einmal gehoert hat. Melrose, Montana, Gilmore, neben dem ueblichen Beverley, Hollywood oder Santa Monica. Und jetzt, jetzt war ich auch endlich einmal dort, und erstmals auf dieser Reise gings im Grunde nur darum. Dort gewesen zu sein. Ein Foto mit dem HOLLYWOOD Zeichen, der Versuch meine auseinanderfallenden Schuhe in die klein erscheinenden Abdruecke des Terminators zu quetschen, Sean Connery, wie er aus seinem Haus kommt und sich den Hut weit ins Gesicht zieht um vor den im Halteverbot haltenden "Movie Stars' Homes Tours" Bussen zu fliehen, ein Sonnenuntergang von der Veranda der Baywatch Huette, das niederlassen in einem dunkelroten Samtsitz des Kodak Theatres neben einem lebensgrossen Schwarz-Weiss Bild von George Clooney auf Karton, King Kong und der weisse Hai in den Universal Studios. Hier leben sie also, hier schmeisst Paris Hilton ihre Party, hier passiert dies, dort passiert das, und ich bin hier, eben dort, und lasse mir einreden, mich im Zentrum der Welt zu befinden. Who's the guy in the Ferrari over there? Which Ferrari, the one on the left or the one on the right? No, actually I meant that Ferrari over there! Oh, that's no one, but look at the guy in the Bentley over here. Nach zwei Tagen hat man genug, genug von rosa Sternen, genug von Ham-, Chicken- und Cheeseburgern, und doch nicht genug von der Atmosphaere, dass sich hier alle wichtiger nehmen, als sie sind, inklusive der Touristen, die so wie ich von dem, was sie sehen, auf den Boden der Normalitaet und Realitaet zurueckgeholt werden. Wie beim Fast Food fuehlt man sich satt und ueberfuellt von dem, was man sieht, und trotzdem kann man nicht aufhoeren, nicht genugbekommen. Schaut nachwievor durch jede verdunkelte Scheibe, geht nachwievor zur Polizeiabsperrung vor dem roten Teppich der Golden Globes, erkennt zwar wieder nur hochtoupierte Frisuren, die sich schnell und professionell in die warmen Innereien des Beverly Hilton verziehen, fuehlt sich aber wohl dabei, von der Polizei immer wieder als "nicht wichtig genug", "nicht beruehmt genug", nicht relevant ab- und zurueckgewiesen zu werden. Vor vier Monaten stand ich im Zentrum von Phnom Phen, als sich zwei Mopedfahrer darum schlugen, wer mich fuer fuenfzig Cent zu meinem Hostel zurueckbringt. Wenn ich das sehe, was ich hier sehe, komme ich mir schlechter vor als damals, und doch ist da nachwievor dieses eigenartig positive, fast gute Gefuehl, hier zu sein, hier zu stehen, hierbleiben zu wollen. In der Nacht wandelt sich das Bild der Stadt, wankende Gestalten erscheinen wie Vampire an jeder Ecke, und endlich ist es weg, das Gefuehl. Die Stadt der Engel wird zu einer normalen Grossstadt, einer grossen und dunklen und kalten. Wieder ist da so ein Loch zwischen dem, was ich in diesem Moment tue und dem, was ich in einem andern Land vor wenigen Tagen tat. Man lebt nur im Jetzt, denkt kaum an gestern und maximal an den naechsten Tag. Die zwei Tage, in denen ich auf den Fijis den Herr der Fliegen verschlungen habe wirken genauso lange vergangen wie das Mal vor fuenf Jahren, sodass ich mich kaum noch darann erinnern kann. Am Telefon sagt man mir eine Adresse, die ich viermal laut vor mich hin wiederhole und ploetzlich vergessen habe. Aber darauf, wo es mir ankommt ist, dass ich den Ort trotzdem finde, unterbewusst dorthin gehe, ohne zu wissen, warum gerade in diese Richtung. Ploetzlich stehe ich vor einem Haus, dass mir richtig erscheint, warum, weiss ich nicht, aber trotzdem richtig. Ich schaue auf die Hausnummer, 2260, das wars, ploetzlich ist es wieder da. Alles, was ich auf diesem Weg hoere, sehe, lese, lerne spielt irgendeine Rolle, und auch, wenn ich nicht weiss welche, oder warum es passiert, oder was eigentlich passiert, bin ich mir doch sicher, dass ich mich irgendwann daran erinnern kann und mich dann darin bestaetigt fuehle, dass es richtig war. Im vom mcDonaldsGeruchgepraegten Bus fahre ich sechs Stunden durch die Wueste und finde mich ploetzlich auf einer Strasse, die man Strip nennt, und bewundere zu Elton John's "Your Song" die Springbrunnen vom Bellagio. Die Leuchtstreifen vom Flamingo zeigen minus drei Grad Celsius in Fahrenheit an, direkt neben den Sportergebnissen und der Schlagzeile, dass Saddams Bruder gehaengt wurde. Den ganzen Tag denke ich darueber nach, wie ich es anstellen werde. Auf einen unbewussten Impuls hin setze ich mich ploetzlich an einen Tisch, es fuehlt sich richtig an, obwohl ich Black Jack nicht mag. Schon taucht aus dem Nichts ein Mann im Anzug auf und fragt nach meiner ID. In Gedanken geprobt ziehe ich meinen Reisepass aus der Hosentasche, ohne ihm in die Augen zu sehen. Er schlaegt ihn auf, ich stelle mir vor, wie er in diesem Moment 2007 minus 21 rechnet. Ohne ein weiteres Wort reicht er mir meinen Pass wieder und verschwindet zurueck ins Nichts. Der Bluff funktioniert, ich sollte Poker spielen, denk ich mir, dass Faktum, dass ich erst in zweieinhalb Wochen 21 werde spielt keine Rolle, geht unter in der Schwierigkeit der Rechnung. Oder im vorgetaeuschten Selbstbewusstsein. Da sitz ich nun, am Black Jack Tisch, und frage mich, was ich eigentlich hier will. Fuenf Dollar Einsatz! Fuenf Dollar! Das sind zwei Naechte, drei Mahlzeiten und ein Fahrrad fuer einen Tag in Laos. Im Grunde gings doch nur um die Herausforderung, mich hinzusetzen, wo ich nicht sollte. Gut, ein Spiel, jetzt, wo ich schon da bin. 19, nahe genug an 21 um mich ueber einen Triumph zu freuen. Fuenf Dollar! Mein Abendgewinn, ich sollte aussteigen und feiern gehen, aber schon ist es da, das Ein-Spiel-noch. Koenig. Vier. Karte! Junge. Drueber. Instinktiv stehe ich auf, lass mir von meinen Australischen Kumpanen die fuenf Dollar zurueckwechseln um die Rechenfaehigkeit der Sicherheitsbeamten nicht nocheinmal auf die Probe zu stellen, verlasse die Spielhalle, verlasse das ganze Hotel, weit weit weg will ich, schau mir lieber wieder die Springbrunnen vom Bellagio an. Wenn ich jemals hierher zurueckkomme, dann, um Leute zu beobachten, nicht um zu spielen. Las Vegas, wieder so etwas, das man gesehen haben muss, um es zu glauben, um es zu verstehen. Und wie gesagt, deshalb bin ich ja auch hierhergekommen. Nun bin ich in einer Stadt, die anders ist, zumindest vom ersten Eindruck her. Ich mache mich auf die Suche nach einer Blume, die ich in den Haaren tragen kann und geniesse die wenige Zeit, die noch bleibt.

Freitag, 12. Januar 2007

Und taeglich gruesst das Murmeltier...

Nochimmer ist der 11. Jaenner, seit mittlerweile ueber einundvierzig Stunden. Dreiundzwanzig davon noch in und auf den Fijis, zehn einige Kilometer ueber dem Pazifik und schon acht in dieser eigenartigen Stadt, die von der Luftqualitaet her gesehen Bangkok Konkurrenz macht und Downtown Rom wie einen botanischen Garten erscheinen laesst. Aber ich kann nicht sagen, dass es mir nicht gefaellt. Das erste, was ich entdecke, sind die Fuss- und Handabdruecke von Robin Williams, neben denen "Carpe Diem" in den Beton gekritzelt steht. Danach warte ich zwei Stunden auf der Strasse vor einem Fernsehstudio, um die Darstellerinnen von Desperate Housewives live zu sehen, vergeblich, dafuer spricht mich ein scheinbar zwei-Meter-zwanzig-grosser Mann an und fragt mich, ob ich schon einmal darueber nachgedacht habe, zur Armee zu gehen. Ich sage ihm, dass ich aus Oesterreich komme und er fordert mich auf, Arnold mit nachhause zu nehmen, auch wenn ich Probleme haben koennte, ihn in meinen Rucksack zu packen und durch den Zoll zu schmuggeln. Die Atmosphaere ist ganz anders als ich erwartet haette, die Stimmung merkwuerdig. Aber doch irgendwie passend, vielleicht waren meine Erwartungen einfach weltfremd. Nicht magisch ist es hier, sondern ganz real, kuenstlich, und doch irgendwie menschlich. Im Grunde ist das hier doch auch nur ein Ort, an dem vieles zusammenlaeuft, vorallem Menschen aus unterschiedlichen Hintergruenden, und dass einige von ihnen beruehmt sind und im roten Abendkleid ueberdimensional uebermenschlich am Kodak Theatre haengen, spielt im Grunde keine Rolle mehr. So falsch Klischees oft sein koennen freut man sich innerlich doch immer wieder darueber, wenn man das eine oder andere bestaetigt findet. Am Weg vom Flughafen zum Hollywood Boulevard habe ich 36 Flaggen gezaehlt, wasweissichwieviele Streifen und noch wesentlich mehr Sterne, und das obwohl ich mit der Ubahn gefahren bin. Beim Einreisechaos werden zwei Finger pro Mensch gescannt, Sicherheitsbeamte schreien sich gegenseitig an und Kinderwaegen rammen Rollstuehle, die eigens Asylanten ohne gueltiges Visum rammen. Worte wie "Nation", "Enforcement", "Freedom", "Professionalism", "Protection" und "Security" glaenzen regelrecht von jedem Winkel der sterilen Halle, die von schrecklich kaltem und unmenschlichem Licht erhellt wird. In diesem Land regiert das postvokale R, eine Nation reflektiert immer die Art und Weise, wie sie sich selbst behandelt
Zeit ist relativ, so wie alles, und obwohl ich nach wie vor versuche, mit annaehernd c mehr aufzunehmen und -zusaugen, als irgendmoeglich geht, dehnt sie sich nur auf meiner Uhr, nicht aber in Gedanken oder der Wahrnehmung. Der Raum aber verkuerzt sich wirklich, Distanzen wie der groesste Ozean unserer Erde koennen in sechs Stunden Schlaf, zwei portionierten Mahlzeiten und einem Woody Allen Film zurueckgelegt werden, stellen einen scheinbar geringeren Aufwand dar als Wien-Salzburg am Ende des Semesters. Heute Mittag bin ich noch am Strand gelegen, wenn auch vor ueber vierundzwanzig Stunden. Kokosnuesse pfluecken, schaelen, koepfen, trinken, raspeln, essen. Immer wieder von zwei Gitarren und einer Ukulele begruesst zu werden. In einer aehnlichen Umgebung die groessten Unterschiede zu erfahren, vom Leben mit Einheimischen in einem kleinen Dorf bis zum Tiramisu serviert bekommen im Urlaubsresort. Dazwischen immer wieder ein Sonnenunter- oder vorzugsweise -aufgang, der den Himmel und die Wolken tief rot faerbt, der sich selbst wiederum im Meer spiegelt und die ganze Atmosphaere entzuendet sodass die Luft zu brennen scheint. Busse in Fiji haben Klimaanlagen aber keine Fenster, die Prediger am Sonntag begeistern eine Menge, die im Regen steht, auch, wenn ihr Temperament eher an das eines italienischen Jugendsporttrainers erinnert, der sich ueber eine ungerechte Schiedsrichterentscheidung echauffiert. Was mir von diesen Inseln und allen Eindruecken, die ich mit ihnen verbinde, am staerksten in Erinnerung bleibt, weiss ich jetzt noch nicht. Es koennen aber nur positive Dinge sein.

Donnerstag, 11. Januar 2007

Vom "aeaeaehhhhh..."

Nadi Airport, Gepaeck eingecheckt, wieder nichts mit dem gratis Update, dafuer ein Platz beim Notausgang, jeder Zentimeter mehr fuer mich, meine Latschen und die gebrochene Zehe zaehlt. Immer noch blau, verdunkelt sich richtung schwarz, geschwollen, aber nur noch so gross wie mein Daumen. Eigentlich wollte ich in diesen ewigen zwei Stunden, die man immer auf ein Flugzeug wartet, diese Art Paradies beschreiben, in denen ich die letzten zwoelf Tage verbracht habe, aber seit ich online bin will ich eigentlich nur wieder offline, weg von Leuten, die mich fragen, wie man die Maus bedient, weg von dieser Tastatur, die jeden zweiten Buchstaben zweimal tipppptt, weg von Autos, die mir in den letzten zwei Wochen fremd geworden sind und weg von Taxifahrern, die mir mit balinesischer Mimik "Transport" nachrufen. Die letzte Nacht war ich auf einer Insel, die ich heute Morgen zweiundzwanzig mal umrundet habe. Ich gehe schnorcheln und zaehle die Palmenn (39). Wie ein Vogel im Kaefig, wie ein Meerschweinchen im Laufrad. Trotzdem traumhaft, so wie man es sich vorstellt. Ok, jetzt reichts, keine zeit ffuer korrekturen. Rohfasssung, mit doppeltenn oder dreifaachbuchhstabeen. Aehm, was soll ich schreiben, zuviel im Kopf, vorrallem Formalitaeten und was wie sein sollte, nichht Mateeriee, nicht, was icch eigentlich schreiben will. Andauernd finde ich emailadresssen iin meinem Rucksack, gekritzelt aauff kleinee Zettel, auf Servietten, auf Reisebroochhurren, kann mich nicht erinnern, wo sie herkommen, von wem. In zwoelf Stunden habe ich den Pazzifik ueberquert, befinde mich viel naeher daheim als die letzen Monaate. Fidschi, oder Fiji, hier gehts um Inseln, das hhabb ich erst begriffen, als ich schon sieben Tage da war. Also vergesse ich das Festland, lasse mein Reetourticketungueltig werden und bleibe dort, wo ich hingehoere, auf Inseln, kleinen, grossen, mit Bergen, oohne Berge, immer mit Riff, mit Ukulele,, mit Haaengematte, mit anderren Bacckpackeernn auus der ggannzenn Welt, die hier vomm Reisen Urllaub machen. So wi ich. Nicht, weil wir unbeddingt hierher wollten, einfach nur, weils halt am Weg liegt. Und solche Orte sind sowwieso oft die, die am schoeensten sind. EElf naechte auf siebenn verschiedenen Inseln. Ich treffe EEinheimische, trinke immer wieder Kava, redee mit einer neunzehnjaehrigen, ddiee ihr Dorf undd ihre Insel verlassen hat um am Festlandd Leehramt zu studdieren. Sie erzaehlt miirr ganz stolz alles, wass sie ueberr hamllet weiss. In der Nacht gehe iich Speerfiscchen, wieder mit einheimischen, bin fasziniert, dass Blut wirklichh Haie anzieht, von der Fasziination ggetrieben verrfuetteree ich schlussendlich alle Fische an einen Riffhai,, derr mich ueberaall hin verfolgt. Zuviel ist in den lletzten Tagen passiert und nicht passiiert als dass es in einem Absatzz und einem Gedankenzug zussammengefasst werdden kann. Mit Fijii habe ich nnoch nicht abgescchlosen, auch wenn ich mir vvieler Dinge wahrscheinlich erst auf eeinemm Kontinent bewusst werdde, dderen Sicherheitsbeamtee mir gerade meinne Zahnpasta wegggenommen habeen.
m

Dienstag, 9. Januar 2007

Living the Dream...

Die gestrige Nacht habe ich in einer Haengematte verbracht, die davor in einem Bett auf dessen Boden am 26. Februar 2006 die Worte "Living the Dream" geschrieben wurden. Mein eigener Traum hatte damals noch gar nicht einmal begonnen, oder aber schon lange davor. Jetzt ist das Ende und Aufwachen an erschreckend wenigen Tagen abzuzaehlen. Ich habe das teuerste Internetcafe auf meiner Route um die Welt gefunden, vier Stunden vom Festland entfernt, auf einer Insel mit knapp fuenfzig Einwohnern. Alleine das ist eine Wortmeldung wert. Zeit und ihr Preis ist mit Geldbetraegen ohnehin nicht zu messen, genausowenig wie Erfahrungen und Eindruecke.
m

Samstag, 30. Dezember 2006

Ueber Kava, Muschelketten und grosse kleine Zehen...

Da bin ich nun, irgendwo im Suedpazifik, kurz davor, Strom, Internet, Handynetz und sonstige Notwendigkeiten unserer Zivilisation fuer eine Zeit am Festland zurueckzulassen. Meine letzte Tat in Neuseeland war es, ein Zelt gegen Taucherbrille, Schnorchel und eine halbe Tube Sonnencreme einzutauschen. Dann zum Flughafen, drei Stunden uebers Meer, und schon wurde ich "persoenlich" von zwei Gitarren und einer Ukulele empfangen. Aufatmen, ich bin also doch nicht vollkommen fehl am Platz mit meiner fruehzeitigen Anschaffung, brauche mir nicht fehl am Platz vorzukommen. Per Shuttel zum erstbesten Hostel, es ist warm und feucht, aber nicht unangenehm, endlich wieder Sommer nach dem klaeglichen neuseelaendischen Versuch. Noch bevor ich meinen Rucksack auf eines der vierzig Betten im Dorm stellen kann lande ich in einer Runde Fidschis. Wieder zwei Gitarren, wieder eine Ukulele, wieder aufatmen. Drei Generationen sitzen da beisammen, die Alten, die irgendeinen Zaubertrank in einer grossen Holzschale brauen, die Mittleren, die fuer die Musik und Unterhaltung sorgen, und die Jungen, die sich selbst unterhalten, und mit Blumenkraenzen, Muschelketten und Hularingen aus grossen Blaettern tanzen. Warte mal, wo sind eigentlich die Touristen, fuer die die das veranstalten, denk ich mir, aber mit der Zeit macht sich doch der erfuellende Gedanke breit, dass die das vielleicht gar nicht ausschliesslich fuer Touristen machen, sondern fuer sich selbst. Verstaendlich, wenn ich mir die strahlenden Gesichter der Kinder ansehe. Ich trinke etwas, das nach Erde schmeckt und aus irgendeiner Wurzel hergestellt wird. Meine Zunge ist taub, trotzdem ungehemmt gute Laune. Ein vierjaehriger lernt mir Tanzen, ich bekomme eine sonderbare Muschelkette umgehaengt, fuehle mich immer wohler. Abgesehen von meiner kleinen Zehe, die nach einem unvermeidlichen Zusammenstoss mit einem massiv und ignorant im Weg herumstehenden Tischbein zur halben Groesse meiner grossen Zehe angeschwollen ist. Und wer mich kennt weiss, wie gross meine grosse Zehe ist. Heute morgen meint ein Grazer Arzt, dass sie zwar wahrscheinlich gebrochen ist, aber man kann sowieso nichts dagegen machen. Ist aber sowieso egal, von einer Zehe lass ich mir nichts verderben, schon gar nicht eine Woche in Fidschi. Der gestrige Abend war sonderbar, und schoen. Die Vorfreude auf die naechsten Tage wird immer groesser. Ich kann mich an keinen Tiefpunkt im Jahr 2006 erinnern, und so schwer es dann normalerweise faellt, loszulassen, freue ich mich umsomehr auf 2007. Im Grunde ist es doch nichts anderes als eine neue Runde Zeit, ein gratis Upgrade fuer mehr Erlebnisse, eine neue Basis fuer weitere Erfahrungen. 2006 in irgendeiner Weise anzutasten wird schwierig fuer 2007, aber das dachte ich mir bis jetzt noch an jedem Sylvesterabend der letzten fuenf Jahre. Wenn Menschen den Standpunkt erreichen, an dem sie meinen, dass es und ihre Situation in jeder Weise nur noch besser werden kann, finden sie doch immer noch irgendein Dilemma in dem sich alles verschlimmert. Ich bin der Meinung und denke permanent, dass es nicht mehr besser werden kann, und wenn ich von dieser Einstellung enttaeuscht werde, dann nur positiv.

Henry David Thoreau

I went to the woods because I wished to live deliberately, to front only the essential facts of life, and see if I could not learn what it had to teach, and not, when I came to die, discover that I had not lived.

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22. Februar!


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