Mittwoch, 31. Januar 2007

Ueber Gefuehl, kleine Brueder, Schall und Rauch...

Egal ob man von Thailand nach Laos kommt, von den USA nach Kanada, oder von Costa Rica nach Nicaragua... irgendetwas veraendert sich im Gefuehl, in der Einstellung, hier zu sein. Der Ansatz zur Auseinandersetzung mit einem fremden Land beginnt zunaechst immer einmal mit dem Namen, der sich spaeter zumeist als unwesentlich herausstellt. Thailand - das Paradies Suedostasiens. Costa Rica - verkauft sich am Werbeplakat sicher besser als Nicaragua. USA - im Grunde nur eine Umschreibung fuer den Nordamerikanischen Kontinent. Und doch haben die "kleinen Brueder" etwas faszinierendes an sich, wenn mal erst einmal da ist, ganz egal ob sich das auf besondere Charakterzuege bezieht, oder einfach nur auf das Faktum, dass sie eben nicht der grosse, bekannte Erstumworbene sind. Die ersten Tage in Costa Rica waren in jeder Hinsicht faszinierend, und trotzdem fuehle ich mich nocheinmal wohler, seitdem ich vorgestern den zugegeben eigenartigen Namen Nicaragua in meinen Pass gestempelt bekommen habe. Viel Zeit habe ich nicht, und trotzdem ist das Bild, den Eindruck den ich bekommen habe, schon wesentlich konkreter als das, was ich ueber Costa Rica denke. Im Moment befinde ich mich in Granada, nach zwei wunderbaren Naechten in der Heimatstadt Ruben Darios, Leon. An welchen Parametern man das Gefallen oder Misgefallen einer Stadt, eines Landes, messen kann, weiss ich noch immer nicht, aber grundsaetzlich hat es einfach mit dem Gefuehl zu tun, dort zu sein. Nicaragua ist zugegeben das Land fuer Transportmasochisten, abgesehen von Kambodscha, wo das ganze mehr mit Folter als Masochismus zu tun hat, und trotzdem wird man nicht muede von dem, was man sieht, wenn man aus dem Fenster schaut. Wie immer bieten sich zwei Moeglichkeiten, an einen neuen Ort zu kommen. Den direkten, in dem man um acht in einen Bus mit verdunkelten Fenstern steigt und fuenf Stunden spaeter vor seinem im voraus gebuchten Hostel abgeliefert wird. Oder die Variante, in der man um vier unter lateinamerikanischem Sternenhimmel einen Bus ohne Tueren aber der doppelten Menge Sitzbaenken betritt, im Halbschlafkoma von der Quantas Economy Class traeumt und sich mit jedem weiteren Fahrgast, der einsteigt, aufs neue wuenscht, nicht im Jahr von Tschernobyl geboren worden zu sein. Man steigt sechs Mal um, sucht in Managua, der Stadt mit dem groessten Potential, am helllichten Tag ausgeraubt zu werden, nach einer Bushaltestelle, ohne ein Wort Spanisch zu sprechen (Selber Schuld!), ohne Stadtplan und generell ohne Plan, an welche Haltestelle man eigentlich will. Trotz voraussehbarer Magenvergiftung (klingt im deutschen wesentlich brutaler als das englische Foodpoisoning, das scheinbar schon fuer versalzte Suppen verwendet wird, also keine Sorge) probiert man sich dann durch alles essbare, das irgendwie unbekannt scheint und bei 15 km/h Durchschnittsgeschwindigkeit von Sitznachbarn verkauft wird. Lernt schlussendlich doch das Basisspanisch aus dem Lonelyplanetanhang und stellt sich selbst die Bedingung, erst wieder hierher zurueckzukommen, wenn man zumindest soviel versteht, um sich nicht vollkommen bloed und beinahe ignorant gegenueber den Einheimischen vorzukommen. In den letzten Monaten habe ich gelernt, die richtige Entscheidung zu treffen, und deshalb waehle ich Variante zwei und stell mir meinen Wecker. Denn worauf es ankommt ist, dass ich trotz allem rechtzeitig zum Sonnenuntergangslicht vor der Kathedrale in Leon stehe, das Gefuehl habe, mehr erlebt zu haben als ich erwartete, und - beim zurueckdenken an den vergangenen Tag - nicht einen Moment finden kann, in dem ich nicht begeistert und erfuellt war, in dem ich mich nicht ueber das freue, was ich erleben darf, oder in dem ich mir wuenschen wuerde, irgendwo anders zu sein. Das, was Nicaragua, Laos oder Kanada in meinen Augen besonders macht, ihnen einen anderen Charakter verleiht als den grossen Bruedern, ist nichts bestimmtes. Es ist keine einzelne Attraktion, mehr die Atmosphaere. Vielleicht sogar einfach nur ein Sympathieprinzip, das sich alleine durch persoenliche Vorzuege, also Sympathie, und durch nichts anderes beschreiben laesst. Aussergewoehnliches findet man ueberall, und obwohl ich mir selbst immer wieder darueber bewusst werde, dass ich auch nur ein Tourist bin, finde ich mehr Gefallen daran, Kleinigkeiten herauszufordern und generell danach zu suchen, was andere gar nicht finden wollen. Neun verschiedene Lonely Planet Editionen habe ich auf dieser Reise verwendet, und auch wenn die meisten Fotos das zeigen werden, was man von ihnen erwartet, naemlich Sonnenuntergaenge, Denkmaeler, tropische Straende und Nationalparks, ist trotzdem das, was mich wirklich motiviert haelt, das, was mich nicht los und nachhause lassen will, etwas anderes, etwas scheinbar unbedeutenderes. Und dies sind die Kleinigkeiten, die ich in Nicaragua oder Laos haeufiger finde.
Dass ich in diesem Land nichteinmal eine ganze Woche bleibe beweist wieder einmal, dass der Genuss selbst groesser ist, wenn er zeitlich begrenzt ist. Natuerlich haette ich mehr davon, ein Monat oder ganzes Jahr hier zu bleiben, aber es war von Anfang an klar, dass ich - von all diesen Laendern - lediglich einen Eindruck und nicht eine Einsicht erhalte. Ein Trailer ueber den Weltepos sozusagen, ein endloser Film ueber das, was die Welt zu bieten hat, und die Menschen, die sie besiedeln. Nicaragua scheint mir eine diese Szenen zu sein, in der der Zuseher den Kern des Themas erfasst, in der sich die Geschichte entwickelt und neues offenbart, das man nicht erwartet haette. Vorgestern Abend war ich bei einer einheimischen Familie zum Essen eingeladen, versuchte mit Haenden und Fuessen (und einem gelegentlichen "muchos bonitos") zu erklaeren, dass es mir hier gefaellt (im Grunde versuche ich dasselbe mit diesem Eintrag), und wunderte mich einmal mehr ueber die Gastfreundschaft von Menschen, die mich nicht kennen, noch nie gesehen haben. Am naechsten Tag steige ich schon wieder auf einen Vulkan, doch zur Abwechslung fahre ich die Steinpiste mit einer Gruppe Englaender auf einem Holzbrett hinunter, die den Wettbewerb fuer die meisten offenen Wunden unter sich ausmachen. Zuviel geht in meinem Kopf vor, als dass ich in allem einen Sinn entdecke, oder ueberhaupt zu suchen beginne, jedem Erlebnis einen Nutzen zuordnen kann. Das einzige, was ich nur immer wieder wiederholen kann ist, dass es mir gut geht. Sehr gut.
m

Henry David Thoreau

I went to the woods because I wished to live deliberately, to front only the essential facts of life, and see if I could not learn what it had to teach, and not, when I came to die, discover that I had not lived.

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