Sonntag, 4. Februar 2007

Ueber Bestechungsgelder, 21 und Morbus Ritardando Rhythmus...

Ja... ich... aehm. Morbus Ritardando, die extreme Verlangsamung, frei nach Gert Jonke. Die Karibikkueste Costa Ricas ist eine Ansammlung von Originalen. Charaktertypen, die man in einem Bilderbuch nicht schaerfer zeichnen koennte. Erst einen Nachmittag bin ich da, aber morgen hau ich ab, ueber die Grenze, in ein anderes Land, diese absolute Langsamkeit hier und in all den Menschen halt ich nicht aus. Wie sie schauen, wie sie reden, oder bessergesagt dazu ansetzen, weil bis zum eigentlichen sprechen vergeht schon eine Minute, wenn sie sich ueberhaupt entschliessen zu sprechen. Den Begriff Zeit gibt es hier nicht, und wenn doch, wird er von der Gesellschaft ignoriert. Karibik, Rasta, Reggae... ich hab mir das immer anders vorgestellt, nicht so, und doch bekommt man das Gefuehl, dass es echt ist, so wie es hier ist, und das was wir kennen nur ein zweidimensionaler Abdruck. Wieauchimmer, schoene Straende aber nicht meins, Ende des Kapitels, morgen fahr ich nach Panama.
Das Land mit den gemuetlichsten Haengematten (und ich wage zu behaupten, dass ich darin mittlerweile Erfahrung habe) hab ich wieder verlassen, leider schon nach fuenf Tagen. Und erstaunlicherweise vollkommen ohne Probleme... was einem von anderen Reisenden da fuer Schauermaerchen aufgebunden werden: Bestechungsgelder, tagelange Wartezeiten und Quarantaene. Aber ich hab so eine Unkompliziertheit schon irgendwie erwartet, und da ich Nicaragua trotzdem nicht verlassen wollte, so ganz ohne den geringsten Bestechungsversuch zumindest, hab ich in Granada Prophylaxe betrieben. Und wenn, dann bestech ich doch gleich einen Priester, der mich fuer einen Dollar auf seinen Kirchturm steigen laesst. Zurueck in Costa Rica komme ich zum ersten Mal auf dieser Reise in einem Dorf an, in dem scheinbar kein einziges Bett frei ist. Nach einer Stunde Herbergssuche, ironischer Weise mit zwei Israelis, finde ich dann doch noch eine Matratze, in der ich ohnehin in dieser Nacht nicht zu schlafen plane. Ich schreibe die Zahl 21 in den Sand, ein Australier fragt mich, was das soll, ich erklaere ihm dass sie fuer die Anzahl der Jahre steht, die ich auf diesem Erdball verbracht und genossen habe. Offenbar ueberreisst er nicht, was ich damit meine, aber ihm gefaellt die Idee, und deshalb schreibt er auch sein Alter in den Sand, einfach so zur Wertschaetzung des Lebens. Ich fuehle mich wieder einmal zur richtigen Zeit am richtigen Ort zu sein, treffe auf die perfekte Auswahl an Amerikanern, Kanadiern, Argentiniern und Australiern, um das Faktum zu feiern (oder zu betrauern), in keinem Land dieser Welt jemals wieder Kind sein zu duerfen. Ueber Mitternacht geh ich im Pazifik baden, mehr oder weniger, und das beste daran ist, noch am selben Tag auch im Atlantik zu schwimmen. Darauf hab ich mich gefreut, mir gefaellt einfach der Gedanke. Ich treffe wahrscheinlich keinen einzigen dieser Menschen jemals wieder, und doch war es gut, sie fuer die eine Nacht kennen zu lernen. In einem anderen Land spielt es keine Rolle, wie lange eine Freundschaft schon besteht oder noch bestehen wird, es geht wie immer nur um den Moment, und der fuehlt sich gut an. Was Lateinamerika wirklich ist, weiss ich nochimmer nicht. Vielleicht ist es doch auch nur wieder so ein verfehltes Gedankenkonzept, das zwar in mancher Weise an die Realitaet erinnert, aber nicht unbedingt ein Abbild davon zeigt. Seit dem ersten Tag in Costa Rica moechte ich etwas ueber das Thema Rhythmus schreiben, aber das was ich dazu denke, ist nicht erfuellend genug. Ja, Rhythmus ist das beste Wort um das Gefuehl zu beschreiben, hier zu sein, rechtfertigt, dass es einem gut geht, wenn man um vier in der Frueh in einen Bus steigt, muede ist, sich aber nicht muede fuehlt. Musik ist hier ueberall, der Rhythmus, den man sucht und erwartet, ueberall vorhanden, und doch wird nicht das gespielt, was man sich in Gedanken ausmalt. Auch in Lateinamerika gibt es den Rhythmus der Eintoenigkeit, die selben Schlaege immer und immer wieder, und das enttaeuscht. Ich schreibe das aber nicht eben deshalb, weil ich enttaeuscht bin, sondern vielmehr, weil es dadurch leichter faellt, neue Rhythmen und Toene zu schaetzen. Auch hier gibt es Dinge, die herausstechen. Etwas Einzigartiges waere nicht einzigartig, wenn es nicht in Relation zu etwas Eintoenigem stehen wuerde. Ich suche hier nach den Synkopen... Nicaragua ist voll davon, in Costa Rica muss man etwas mehr danach suchen. Der Raggae dieses Ortes tut mir mittlerweile in den Ohren weh, aber wie jedes Land hat Costa Rica mehr zu bieten als nur eine Musikrichtung.

Henry David Thoreau

I went to the woods because I wished to live deliberately, to front only the essential facts of life, and see if I could not learn what it had to teach, and not, when I came to die, discover that I had not lived.

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22. Februar!


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